Internet: "Hacker" im Hohen Haus

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von zwa3hnn, 19. Januar 2007 .

  1. 19. Januar 2007
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 14. April 2017
    Das Online-Lexikon Wikipedia ist eine der populärsten Internet-Seiten. In der Politik wird es zunehmend auch zur Imagepflege und zur Diffamierung des Gegners genutzt.

    Der beste Platz für einen Politiker, juxte einst Loriot, sei das Wahlplakat: "Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen."

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    Wikipedia-Gründer Jimmy Wales: Jeder kann ran, jeder kann löschen​

    Die Übersichtlichkeit, die der politische Schilderwald zu Wahlkampfzeiten in die deutsche Landschaft brachte, ist im Zeitalter von E-Government und vernetzter Öffentlichkeit längst verlorengegangen. Heute wäre eine nur mit Holz, Kleister und Papier ausgefochtene Kampagne so aufregend wie die Verlesung von Adenauers gesammelten Teegesprächen bei Sabine Christiansen.

    Dass auch im Internet-Wahlkampf mit harten Bandagen gearbeitet wird, zeigt jetzt ein Vorfall in Hamburg: Unter der Adresse http://www.buergermeister-von-beust.de hatte SPD-Fraktionschef Michael Neumann dort ein Foto des CDU-Bürgermeisters mit der Aufschrift "Versagt!" ins Netz gestellt - ohne gleich deutlich zu machen, dass die Seite der SPD zuzurechnen ist.

    Der moderne Abgeordnete hat längst das Internet entdeckt. Und siehe: Auch dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen - jedenfalls wenn er einen Eintrag in der freien Internet-Enzyklopädie Wikipedia.de hat. Denn das Online-Lexikon funktioniert nach dem Wiki-Prinzip: Jeder kann ran - und jeder kann löschen.

    Längst hat der Volkssport Wikipedia auch die Volksvertretung erfasst. Hunderte Artikel sind von Computern des Bundestags und der Bundesregierung aus bearbeitet worden, darunter Beiträge zu so unterschiedlichen Themen wie Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und Gummifetischismus, Rosa Luxemburg und Rotbauchunke.

    Da Wikipedia alte Versionen von Artikeln mit der Netzwerkadresse der Bearbeiter speichert, lässt sich noch nach Jahren auch bei anonymen Bearbeitungen erkennen, von welchem Rechennetz aus bestimmte Änderungen vorgenommen wurden. Nur die Zuordnung zu bestimmten Abgeordneten- oder Fraktionsbüros bleibt das Geheimnis des Bundestagsrechenzentrums.

    So wurden auch zahlreiche Abgeordnetenbiografien und Einträge zu politischen Themen verändert. "Aufgrund von Anfeindungen aus Teilen der Partei", hieß es bis vor kurzem im Lexikoneintrag des SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs, habe die SPD-Linke Andrea Nahles 2005 auf die Kandidatur zur Generalsekretärin der Partei verzichtet. Doch die Passage über Kahrs' Intimfeindin wurde am 4. Januar ersatzlos aus seinem Wikipedia-Eintrag gelöscht - von einem Rechner des Bundestags aus.

    Nicht zum ersten Mal. Bereits mehrfach wurden in den vergangenen Jahren ähnliche Informationen in Kahrs' Lexikoneintrag von Rechnern des Bundestags aus getilgt. Etwa der Hinweis auf ein 1992 gegen ihn angestrengtes und später gegen Bußgeld eingestelltes Strafverfahren wegen nächtlicher Drohanrufe bei einer Juso-Kollegin. Er könne auch nicht sagen, so Kahrs, wer die Passagen gelöscht habe. Er oder seine Mitarbeiter jedenfalls nicht.

    Kahrs ist nicht der einzige Parlamen- tarier, dem die Hacker im Hohen Haus Gutes taten. Auch andere Abgeordnete bekamen Biografien wie beim Barbier: Waschen, Frisieren, Legen. Gut steht etwa der frühere Grünen-Abgeordnete Ludger Volmer da, der bei Wikipedia als "Großoffizier" der französischen Ehrenlegion geführt wird. Ein Hinweis auf die "Bonusmeilen-Affäre" hingegen wurde durch den Zusatz ergänzt, Volmer habe nachweisen können, "dass seine Frau mit Einverständnis und im Auftrage des Auswärtigen Amtes geflogen war und für seinen Sohn private Meilen zur Verfügung standen". Aus der "Visa-Affäre" wurde zwischenzeitlich eine "Schmutzkampagne" gegen den grünen Ex-Staatssekretär. Alle drei Einträge wurden von Parlamentsrechnern aus vorgenommen.

    Wer den Wikipedia-Eintrag über Ex-CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer am 16. September 2005 besuchte, konnte dort auf einmal lesen, dass die Zahlungen, die Meyer von seinem früheren Arbeitgeber RWE erhalten hatte, "in keinster Weise zu beanstanden" gewesen seien. "Wir haben die Ergänzung bei Wikipedia vorgenommen", räumt Meyer ein, "weil über die Klärung der RWE-Vorgänge längst nicht so breit berichtet wurde wie über die zunächst erhobenen Vorwürfe und Wikipedia ohne diese Information unvollständig war."

    "Diese Fälle bestätigen unsere Erfahrung", erklärt Kurt Jansson von der deutschen Wikipedia, "dass wenige Personen in der Lage sind, die eigene Biografie aus einer neutralen Position zu schildern." Das Mitschreiben am eigenen Artikel könne "schnell nach hinten losgehen".

    Doch nicht nur Politikerbiografien wurden geschönt, auch in Artikel über Studiengebühren, Bürokratieabbau und Treibhauseffekt redigierten die anonymen Nutzer aus dem Bundestag fleißig politische Positionen hinein. In den Eintrag "Bürokratieabbau" wurde mitten im letzten Bundestagswahlkampf ein Abschnitt über die 2002 begonnene "Bürokratieabbau-Kampagne" der FDP eingefügt. Darin hieß es vollmundig: "In jeder Sitzungswoche hat die FDP-Fraktion seither mindestens einen konkreten Vorschlag zum Abbau von Bürokratie in den Deutschen Bundestag eingebracht." Bereits eine halbe Stunde später hatte ein Wikipedianer die dreiste Wahlwerbung wieder aus dem Artikel gelöscht.

    Besonders groß scheint die Verlockung, unter dem Deckmantel vermeintlicher Anonymität den politischen Gegner diffamieren und Gerüchte kolportieren zu können. Im Artikel über das Homosexuellen-Kontaktportal "nicht heteroRomeo" verriet ein User aus dem Bundestag schon mal den Namen eines Abgeordneten, der dort als Mitglied registriert sei.

    Die schärfsten Invektiven aber sind für parteiinterne Flügelkämpfe reserviert und bestätigen eine uralte politische Weisheit: Die schlimmsten Feinde sitzen oft im eigenen Lager. Der PDS-Funktionärin Katja Kipping unterstellte ein Bundestags-User im September 2006 "den Drang zu starker Selbstinszenierung" und kritisierte "ihre rhetorisch eher schwachen Auftritte in politischen Talksendungen".

    Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Uwe Hiksch, der erst von der SPD zur PDS wechselte und schließlich der WASG beitrat, wurde in einem Wikipedia-Eintrag vom 21. November 2006 gar als "fraktionsloser Verräter" und "stalinistischer Linksabweichler" diffamiert. Harmlos humoristisch dagegen der Versuch eines Bundestagsmitarbeiters, die "kaputte Ampel" als Synonym für "Jamaika-Koalition" zu etablieren.

    Ein Grund für das rege Interesse mancher Volksvertreter an Internet-Projekten wie Wikipedia dürfte der Wunsch sein, an den Medien vorbei direkt mit den Wählern kommunizieren zu können. Doch das Volk erweist sich als kritisch und wachsam: Meist sorgt die Community dafür, dass gezielte Manipulationen schnell wieder verschwinden und das Wiki-Prinzip des neutralen Standpunkts gewahrt bleibt.

    Wem das nicht reicht, der sollte sich an ein Wort des Philosophen Georg Picht erinnern. Der ätzte bereits in den siebziger Jahren, lange bevor an Wikipedia zu denken war: "Wer glaubt, was in einem Lexikon steht, hat noch nicht gelernt, es zu benutzen."


    quelle: Spiegel Online
     
  2. 19. Januar 2007
    AW: Internet: "Hacker" im Hohen Haus

    Find ich recht amüsant , wie die versuchen sich gegenseitig nieder zu machen , um dann selbst besser da zu stehn. Aber wenns danach geht. Bis jetzt haben sie alle "versagt" .
     
  3. 19. Januar 2007
    AW: Internet: "Hacker" im Hohen Haus

    Wikipedia ist klasse, aber ich finde es nicht so gut dass da jeder ran darf. Irgendwann biegen sich die Politiker die Artikel so zurecht dass es wie in China wird. Und Wikipedia ist eine freie Enzyklopedie. Da darf ruhig die Wahrheit stehen. Wenn die Politiker zu feige sind zu ihren Fehlern, Affären usw. zu stehen solltem an das freie editieren und löschen verbieten bzw. einschränken.
     
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