geschichtsüberblick über die sozialpolitik in deutschland

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von sinawali, 12. März 2007 .

  1. 12. März 2007
    ok leute, ich dachte ich trage mal zur allgemeinbildung hier bei
    ich habe eine kurze zusammenfassung über die deutsche sozialpolitische geschichte verfasst
    bewertung wäre nett, falls ihr das gut findet, vielleicht ist es den mods sogar wert zu fixen:


    1.Entwicklungstendenzen staatlicher Sozialpolitik
    Im Zeitraum 1835 bis 1880, also den Anfängen staatlicher Sozialpolitik der Industriestaaten, war die Sozialpolitik personell vor allem auf Frauen und Kinder, sachlich auf Arbeitszeitschutz, Lohnschutz und den Gefahren- und Unfallschutz ausgerichtet. Da sie partiell und auf bestimmte Arbeitergruppen und den Erhalt ihrer Erwerbsfähigkeit, bzw. ihrer Verwertbarkeit für die Industrie beschränkt war, nicht aber auf beispielsweise Arbeitslose oder Behinderte, kann man nur von einer indirekten Unterhaltspolitik sprechen. Sogenannte Proletaroide waren aber auch nach der Erweiterung der staatlichen Sozialpolitik von indirekter Unterhaltssicherung auf eine Unterhaltssicherungspolitik durch Sozialtransfers. Zudem wurde das schon vorhandene politische Spektrum der Sozialpolitik durch die Einführung einer Kranken-, Unfalls-, Invaliditäts- und Altersversicherung erweitert. Diese Politik diente nicht nur dem Schutz der „gehobenen“ Arbeiterklasse, sondern auch der Eindämmung der Arbeiterbewegung, die in ihren Anfängen eines Klassenkampfes dadurch an der sozialen Revolution erfolgreich gehindert wurde.
    Die staatliche Sozialpolitik bis zum Jahre 1914 war also vor allem auch eine Schutzpolitik zum Erhalt der bestehenden Ordnung und der Vorrechte und des Vermögens der gehobenen Klassen. Mit dem Ende des von der deutschen Monarchie angezettelten Weltkrieges und der Einführung einer demokratischen Grundstruktur, der Weimarer Republik, wurde eine Sozialpolitik implementiert, welche sich mehr an den Bedürfnissen der Arbeitnehmerschaft orientierte. Die Betriebsverfassung wurde sozialpolitisch ausgestaltet und war somit eine von Arbeitnehmern und Arbeitgebern mitgetragene Sozialpolitik. Auch die Gewerkschaften waren nun anerkannt. Ironischerweise muss man aus sozial-emanzipatorischer Sicht, soweit sie sich der Einrichtung einer Assoziation freier Menschen, sprich einer Kommunistischen, verpflichtet fühlt, sagen, dass durch ihren Einbezug in das Arbeitsleben und der damit einhergehenden Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter die Chance auf eine kommunistische Republik verbaut wurde, da die Erkämpfung sozialer Rechte von nun an unter Führung der Gewerkschaftsfunktionäre stattfand,welche sich verpflichtet fühlten (und fühlen), den prinzipiellen Status quo, sprich den des Prinzips der freien Marktwirtschaft, aufrechtzuerhalten.
    In der Weimarer Politik kam es auf sozialpolitischer Ebene zu entscheidenden Durchbrüchen. Neben einer Erweiterung bisheriger Maßnahmen, welche sich in ihrer Verbreitung auf bisher ungeschützte Personengruppen und einer Erhöhung der Leistungen niederschlug, kam die Arbeitnehmerschaft durch die Einführung einer betrieblichen Mitbestimmung und der damit einhergehenden Schaffung zweier am Tarifprozess beteiligten Parteien, nämlich den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmerverbänden, in den Status einer eigenständigen Sozialpartei. Ein weiterer entscheidender Fortschritt stellte die Abschaffung der staatlich-patriarchalen Fürsorge zugunsten des Prinzips einer durch die demokratische Willensbildung zustande kommenden Sozialgesetzgebung. Dies geschah unter anderem durch den Ausbau eines für die Arbeiter entscheidenden Politikfeldes, der Arbeitsmarktpolitik. Zudem wurde die Wohnungsbaupolitik zum sozialpolitischen Handlungsfeld entwickelt.
    Mit dem Nationalsozialismus kam die Rücknahme der Demokratisierung der staatlichen Sozialpolitik. Die NSDAP gedachte, zugunsten des völkischen Kollektivs die Politik der Weimarer Republik abzuschaffen und eine streng nach dem Führerprinzip gestaltete Regelung des Arbeits- und Wirtschaftsprozess einzusetzen. Die Ersetzung der Tarifparteien durch die DAF, die Deutsche Arbeitsfront. war dazu zentrale Maßnahme, sowie auch das Herausdrängen von jüdischen Arbeitnehmern und der Enteignung jüdischer Arbeitgeber. Der krasse Widerspruch, dass einerseits das imaginierte, „raffende“, sprich, nach nationalsozialistischer Denkweise, jüdische Kapital entmachtet werden sollte, Hitler aber andererseits gerade mit der Großindustrie, in der es vor allem von der Bevölkerung verortet wurde, von Anfang an kooperierte, da er in deren Kreise schon vor seinem Machtantritt, durch seine Einführung in die sogenannten "Nationalclubs" (Koch, Peter-Ferdinand 2000: 22) besonders durch den Unternehmer Hans Flick, schon verbündete hatte, fiel offensichtlich niemandem auf. Als zentrales Politikfeld wurde die Familienpolitik eingeführt.
    Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges knüpfte man in der BRD in der Arbeitsmarktpolitik weitgehend an den demokratischen Fortschritten der Weimarer Republik an. Hinzu kamen neue Bereiche, die Wohnungsbaupolitik, die Vermögenspolitik und die Bildungspolitik.
    Zusammenfassend lässt sich die Entwicklungstendenz der staatlichen Sozialpolitik also so beschreiben: um 1839 war sie sehr zögerlich, dann lief sie beschleunigt voran, durch den Ausbau neuer Felder, ohne dass die Alten vernachlässigt wurden (Lampert/Althammer). Diese Entwicklung ließ sich in allen Industriestaaten feststellen, in ähnlichem Umfang. Wohlfahrtsstaatliche Politik war Begleiterscheinung der Industrialisierung. In allen betroffenen Ländern wurde zuerst ein Arbeitnehmerschutz entwickelt, der dann schrittweise auf spezifische Personengruppen ausgeweitet wurde. Klassenspezifische Schutzpolitik erfuhr also eine Ausdehnung auf die gesamte Gesellschaft, so der Arbeitnehmerschutz ausgeweitet wurde von Frauen und Kindern in den Fabrikbetrieben auf Arbeitnehmer in allen Wirtschaftszweigen. Die Unfallversicherung, zunächst beschränkt auf Industrie und Gewerbe, wurde auch in staatlichen Betrieben, im Baugewerbe in der Land- und Forstwirtschaft sowie auf dem Seebetrieb eingeführt. Dies geschah recht schnell in einem Zeitraum vom Jahre 1885 bis zum Jahre 1888. Die Sozialversicherung wurde ausgedehnt, 1911 auf Angestellte, 1938 auf Handwerker, 1957 auf Selbstständige Landwirte und später auch auf Selbstständige allgemein, da auch diese nach Absicherung der Risiken des ökonomischen Lebens strebten.
    Diese Tendenz lässt sich mit dem Wunsch begründen, möglichst alle Gesellschaftsgruppen vor den Risiken des Lebens flächendeckend abzusichern. Im Folgenden soll auf diverse Einzeltendenzen eingegangen werden: Zum ersten die Verdichtung sozialpolitischer Akte, ihre Verrechtlichung, Institutionalisierung und Zentralisierung. Zweitens soll die gesellschaftliche Egalisierung betrachtet werden und zum letzten die Konzentration der Sozialpolitik auf die im Erwerbsleben tätigen Personen.

    1.1 Verdichtung der sozialpolitischen Akte
    Die Umfang der sozialpolitischen Maßnahmen stieg geschichtlich betrachtet pro Zeitperiode. Dabei bleibt die Bedeutung der Einzelnen Handlungsfelder relativ gleich (Lampert/Althammer). Begleitet wurde diese Verdichtung durch eine zunehmende Verrechtlichung. Da die staatliche Sozialpolitik an stelle karitativer Fürsorge trat, wurde sie auch begleitet durch die Einführung staatlich definierter Normen des sozialen Verhaltens, welche durch Verbote und Gebote durchgesetzt wurden. Diese Verrechtlichung schlug sich nieder im Arbeitnehmerschutz, im Sozialversicherungsrecht, im Arbeitsrecht allgemein, im Recht der Betriebs- und Unternehmensverfassung und in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit. Der Vorteil, den die Normierung in Bezug auf die Vorhersehbarkeit der Leistungen nach Art und Umfang im Risikofall, die rechtliche Gleichstellung der Betroffenen und deren Gleichbehandlung brachte, wurde begleitet durch den Prozess der „fortschreitende[n] und immer erfolgreichere[n] Entpersönlichung des Hilfsaktes“ (Achinger 1979:79). Dieser wurde nun gesteuert durch ein großes Netz an Institutionen, beispielsweise Gewerbeaufsichtsämter, Arbeits- und Sozialgerichte oder die Gesundheitsverwaltungen. Dieser Vorgang wird allgemeinen als Institutionalisierung benannt. Neben diesen Prozessen kam es auch zu einer Zentralisierung, sprich dem Prozess der Übertragung sozialpolitischer Aufgaben von Gemeinden und Verbänden auf den Zentralstaat. Der Beginn dieser Entwicklung begann mit dem Aufbau der reichseinheitlichen Sozialversicherung, der Vereinheitlichung der KnRV 1923 oder der Errichtung des Reichsamtes für Arbeitsvemittlung. Die Zentralisierung war notwendige Folge der Verrechtlichung, aber folgendes Problem bestand von nun an, nämlich dass lokale oder strukturelle Eigenheiten nicht mehr ausreichend kompensiert werden konnten. Andererseits wäre die Frage zu klären, ob die Anpassung der Prozesse an einen allgemeinen Standart nicht Grund für den Fortschritt der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung war und die Umkehrung dieser Prozesse nicht in den Rückschritt führen würde.

    1.2 Die gesellschaftliche Egalisierung
    Die gesellschaftliche Egalisierung, das heisst die zunehmende Verringerung von unterschieden im wirtschaftlichen und sozialen Status verschiedener Klassen, war teil der Entwicklung der staatlichen Sozialpolitik. Sie zeigte sich unter anderem im Sinken der Spitzeneinkommen am allgemeinen Einkommen seit 1870. Dieses geschah besonders in Dänemark und Großbritannien, weniger stark auch in den USA und Deutschland. Seit 1940 erhöhten die Bezieher der mittleren Einkommen ihren Anteil am Gesamten, bis 1950 eine Stabilisierung eintrat. Die Ursachen für die langfristige Egalisierung waren die Stabilisierung der Lebenslagen durch soziale Sicherung und durch Umverteilungsmechanismen und -Prozesse. Eine Umorientierung der Wirtschaft zugunsten eines Massenkonsum an Gütern, die vorher nur priviligierten Klassen zur Verfügung standen, die stärkere Besteuerung der mittleren und höheren Einkommen oder auch die Wandlung der Arbeitsmärkte zugunsten der Mitwirkungsmöglichkeiten der Gewerkschaften und die Durchsetzung des Rechtstaates und der formalen Gleichheit aller trugen auch zur Egalisierung bei.

    1.3. Konzentration der Sozialpolitik auf die Erwerbstätigen
    Von Anfang an war die Sozialpolitik des Deutschen Reiches bis zur BRD auf die berufstätigen Personen ausgerichtet. Als jüngstes Beispiel ist Franz Münteferings Mitte Mai 2006 ausgegebene Parole „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“. Die Logik eines an der Marktwirtschaft ausgerichteten Systems legte die Maßnahmen auf die Grundausrichtung fest, die „Normalbürger“, also die arbeitenden Menschen zu stärken. Dabei müssen aber unweigerlich gesellschaftliche Randgruppen ausgeschlossen werden. Die einseitige Ausrichtung bestand und besteht teilweise zum einen darin, soziale Leistungen größtenteils an die Höhe des Einkommens bzw. der Existenz eines solchen zu binden. Dieses passiert vor allem durch die Steuerung und Auszahlung der Leistungen durch soziale Institutionen, deren Mitgliedschaft an einen Arbeitsplatz gebunden ist. Dadurch ist die Tatsache geschaffen worden, dass die soziale Absicherung der verdienenden Mittelschicht relativ gesichert ist, die der unteren Klassen aber kaum oder gar nicht. nach wie vor sind körperlich und geistig Behinderte von privaten oder gemeinnützigen Stellen und Diensten abhängig, da die staatlichen größtmöglich reduziert werden sollen. Zwar werden solche Stiftungen staatlich unterstützt, viele aber sind spendenabhängig. Obdachlose beispielsweise könnten vielmals ohne Heilsarmee, Strassenarbeiter und Ärzte, die einen Teil ihrer Arbeits- oder Freizeit für die Behandlung der Einkommenslosen Opfern, nicht überleben. Sogenannte Suppenküchen gehören in jeder Industriegesellschaft zum allgemeinen Stadtbild, auch wenn sie nicht überall diesen unsympathischen Namen haben. So heißen sie in Israel beispielsweise „Gratisrestaurants“ (Jüdische Allgemeine). Weitere soziale Gruppen, deren Chance, sich durch Erwerbstätigkeit Ansprüche gegen das System der sozialen Sicherung zu verschaffen, gering oder gar nicht vorhanden ist, stellen z.B. sozial Labile oder alleinerziehende Mütter bzw. auch Hausfrauen in Teilzeitjobs.
    Problem der unterpriviligierten Klassen ist es bis heute, keine schwer gewichtete Stimme in der Öffentlichkeit zu haben. Während die Arbeitnehmerschaft durch Gewerkschaften und Sozialparteien eine Interessensvertretung haben, sind Unterpriviligierte eine „schweigende Minderheit“ (Lampert/Althammer). Das sie oft anfällig sind beispielsweise für die Beeinflussung durch die „Kritiker einer Zinsknechtschaft“ (Justus Wertmüller 2006:51), führte gerade in Deutschland schon einmal in die Barbarei.
     
  2. Video Script

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