Bulgarien: Webspace nur gegen Personalausweis

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von zwa3hnn, 31. März 2005 .

  1. 31. März 2005
    Bulgarische Hostingprovider sollen ab heute Webspace über 100 MByte nur noch gegen Vorlage des Personalausweises vergeben. Dazu will sie die für organisierte Kriminalität zuständige Abteilung "Intellectual Property, Trademark, Computer Crimes und Gambling" des Innenministeriums in Sofia verpflichten. Dessen Leiter verschickte in der vergangenen Woche kurzer Hand eine Anordnung an Provider im Land und forderte sie ultimativ auf, kostenlose 100-MByte-Webspace-Accounts anonymer Nutzer sofort zu schließen und den Zugang nur gegen Vorlage des Personalausweises bei Vertragsunterzeichnung wieder zu erlauben. "Sollte es technische Schwierigkeiten bei der Einhaltung dieser Auflagen geben, ist der Zugang zum entsprechenden Server zu beenden", heißt es in der Anordnung, die heise online vorliegt.

    Neben der Beendigung anonymer Webspace-Accounts werden die Provider zudem auch noch aufgefordert, Inhalte auf diesen Servern, "die Werke, Audioaufnahmen, Unterhaltungs- oder Business Software, Bilder, Bücher oder graphische Logos enthalten zu entfernen. Alle Webseiten, die Darstellungen, Bilder oder Texte mit von Rassenhass erfüllten, graphischen oder kinder ographischen oder Nazi-Inhalten enthalten, sollen entfernt werden und ebenso Spielwebsites und andere, die bulgarische Gesetze verletzen".

    Was wie ein etwas unglaubwürdiger Aprilscherz klingt, ist für die Provider in Bulgarien überhaupt nicht lustig: Die Unsicherheit, welche Konsequenzen bei Nichteinhaltung drohen, ist groß. Andererseits ist es laut Mitko Ganchev vom Hoster Bol praktisch kaum möglich, den Auflagen in der geforderten Weise und der gebotenen Zeit nachzukommen. Viele der Kunden seien eben nicht direkt in Sofia, die Identifizierung per Personalausweis also kaum innerhalb einer Woche möglich.

    Gegenüber heise online sagte Ganchev, dass die Provider als Sofortmaßnahme erst einmal ihre internen Suchmaschinen stoppen werden. Die Suchmaschinen würden nämlich unter anderem dazu genutzt, urheberrechtlich geschützte Inhalte zu suchen und zu finden. Bulgarien wurde erst kürzlich vom US-Handelsbeauftragten erneut auf die Liste der Länder gesetzt, die wegen Urheberrechts- und Patentpiraterie besonders beobachtet werden müssten. Zwar gibt es eine Reihe von Gesetzen, mit denen gegen den Klau vorgegangen werden kann, doch bei der Durchsetzung hapere es beträchtlich.

    Dass die neue Anordnung eine Reaktion auf diese Einstufung oder auf eine bestimmte Kampagne von Seiten der gut organisierten Rechteinhaber ist, glauben Beobachter nicht. Eher sehen sie die Aktion im Zusammenhang mit der bevorstehenden Wahl, vor der die Regierung Handlungsfähigkeit demonstrieren wolle. Dabei fehlt es allerdings nach Ansicht vieler Beobachter an einer tatsächlichen Rechtsgrundlage. Alexander Kashumov, Verwaltungsrechtsexperte beim mehrfach ausgezeichneten bulgarischen Access for Information Programme sagte gegenüber heise online, polizeiliche Anordnungen in der Form, wie sie jetzt den Providern zugegangen seien, kämen in der Regel zur Anwendung, um einen drohenden Rechtsverstoß abzuwenden. Allerdings gebe es kein Gesetz, das die Provider selbst für gehostete Inhalte verantwortlich mache. Dagegen könnten andere Gesetze, etwa das bulgarische Datenschutzgesetz, durch ein Vorgehen der Provider verletzt werden. Inzwischen habe sich ein Nutzer bei AIP gemeldet, der sich gegen den Eingriff in seine Rechte wehren will. "Wir prüfen die Anordnung noch, denken allerdings auch bereits intensiv über einen Musterprozess nach", sagt Kashomov.

    Von Seiten der Provider gibt es ebenfalls eine Initiative zur Schadensbegrenzung. Heute soll nach Informationen von heise online ein Gespräch zwischen dem größten Provider, der als Vertreter für eine Reihe der größeren Provider auftritt, und den Verantwortlichen im Innenministerium in Sofia stattfinden. Der Vorschlag der Provider lautet, die Suchmaschinen zu stoppen, bis die Abteilung "Intellectual Property, Trademark, Computer Crimes und Gambling" eine Liste der zu sperrenden Inhalte liefert. Ansonsten, fürchten die Beobachter, würden die Provider selbst Polizeiaufgaben übernehmen. Wie es mit der Identifizierungspflicht weitergeht, ist offen. Auch die Reaktion der vielen kleinen Provider ist schwer vorherzusagen. Eine Stellungnahme des Ministeriums gegenüber heise online steht noch aus.

    quelle: heise news
     
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