Urteil: Triviales soll nicht patentiert werden

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von zwa3hnn, 2. Mai 2007 .

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  1. 2. Mai 2007
    Oberstes Gericht der USA setzt Patentinflation weitere Grenzen
    Der US-Supreme-Court hat am Montag in zwei grundlegenden Entscheidungen der Patentinflation in den USA Grenzen gesetzt. Im Fall KSR gegen Teleflex wurde entschieden, dass die simple Kombination vorhandener Technologien in der Regel nicht ausreichend innovativ ist, um auf das Resultat ein Patent erhalten zu können. Im zweiten Fall, Microsoft gegen AT&T, schwächte das Gericht die Möglichkeit zur Klage gegen im Ausland begangene Patentverletzungen ab.


    Im Fall KSR gegen Teleflex sah sich das Gericht mit der Frage konfrontiert, wo die Grenze zwischen einer offensichtlich nahe liegenden Entwicklung und einer echten Innovation zu ziehen ist, bei der der erfinderische Beitrag erkennbar über das offensichtlich nahe liegende Maß hinausgeht. Nur für Innovationen der zweiten Kategorie sieht die US-Verfassung die Möglichkeit des Patentschutzes vor.

    Das US-Technologieunternehmen Teleflex hatte den kanadischen General-Motors-Zulieferer KSR wegen Patentverletzung durch KSR-Bremsen verklagt und in zweiter Instanz vor dem United States Court of Appeals for the Federal Circuit (CAFC) Recht bekommen. Das zur Debatte stehende Patent auf ein "elektronisch einstellbares Gaspedal" basierte im Kern auf der Kombination zweier existierender Technologien - Sensoren und Pedale. KSR hatte daraufhin den Fall mit dem Argument der fehlenden Innovation dem US-Supreme-Court vorgetragen, um das Patent von Teleflex aufheben zu lassen. Die bloße Kombination bereits vorhandener Technologien war nach Auffassung von KSR nicht hinreichend innovativ, um darauf ein Patent zu erteilen. Das Gericht hatte den Fall zur Entscheidung angenommen und einstimmig zu Gunsten von KSR entschieden. Das Patent von Teleflex wurde insoweit für ungültig erklärt.

    Vor etwas mehr als 40 Jahren, Ende 1966, hatte das oberste Gericht in dieser Frage schon einmal Recht gesprochen. Der für das Patentrecht zuständige Kongress hatte 1952 durch eine Gesetzesänderung als Drittes neben der Neuigkeit und Nützlichkeit das Kriterium der "Nicht-Offensichtlichkeit" ("Nonobviousness") als Voraussetzung für die Patentierbarkeit eingeführt.

    Im Fall Graham gegen John Deere legte der US Supreme Court dann fest, wie die Erfüllung beziehungsweise Nichterfüllung der Kriterien in einem Test festzustellen sei. In seinem damaligen Urteil verwies das Gericht zur Begründung auf die Absichten des Gesetzgebers: "Wenn eine Erfindung gemacht wurde, die in dem Sinne neu ist, dass sie zuvor noch nicht gemacht worden ist, wird dann nicht patentierbar sein, wenn der Unterschied zwischen dem, was neu ist, und dem, was zuvor schon bekannt war, als nicht ausreichend einzuschätzen ist, als dass dadurch ein Patent zu rechtfertigen wäre."

    In seiner jetzigen Entscheidung griff der US-Supreme-Court auf den im Urteil des Falles Graham gegen John Deere festgelegten Test zurück. Demzufolge sind "Umfang und Inhalt des bekannten Wissens [...] zu bestimmen; Unterschiede zwischen dem bekannten Wissen und den Patentansprüchen [...] festzustellen; und das Wissen eines normalen Fachmannes auf dem betreffenden Gebiet zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund sind dann Offensichtlichkeit oder 'Nicht-Offensichtlichkeit‘ des Gegenstandes zu bestimmen." Die Bestimmungsweise des CAFC sei hingegen "zu eng" und daher zurückzuweisen.

    Im Fall KSR gegen Teleflex bedeutet das, dass "eine Kombination bekannter Elemente dann wohl offensichtlich sei, wenn nicht mehr dabei herauskommt als vorhersagbare Ergebnisse". Und, wie es in dem von Richter Kennedy formulierten Urteil heißt, "wenn es ein Gestaltungsbedürfnis gibt, oder eine Nachfrage im Markt nach der Lösung eines Problems, und wenn es dazu eine begrenzte Anzahl vorhersagbarer Lösungsmöglichkeiten gibt, dann hat ein gewöhnlicher Fachmann auf dem Gebiet gute Gründe dafür, sich mit dem in greifbarer Nähe befindlichen Möglichkeiten um eine Lösung zu bemühen. Führt das zum Erfolg, so ist dieser sicher nicht der Innovation geschuldet sondern den normalen Fähigkeiten und dem gesunden Menschenverstand." Gemessen an diesen Erwägungen kommt das oberste Gericht zu der Auffassung, dass die strittige Erfindung "offensichtlich" sei und damit nicht patentierbar.

    Im zweiten Fall, Microsoft gegen AT&T, ging es um die Frage, wann eine im Ausland stattfindende Handlung in den USA selbst eine Patentverletzung darstellen kann, wenn es ein entsprechendes US-Patent gibt. Normalerweise haben Patente nur nationale Gültigkeit. In den USA verbietet es das Gesetz jedoch auch, Bestandteile patentierter Erfindungen ins Ausland zu liefern. AT&T hatte Microsoft Vorgeworfen, genau das zu tun, indem der Software-Hersteller zusammen mit seinen Betriebssystemen einen patentgeschützten Audio-Codec ins Ausland ausliefere.

    Zwar hatte Microsoft zugegeben, mit dem Codec den Patentschutz von AT&T zu verletzen, aber Lizenzgebühren wollten die Redmonder nur für die in den USA verkauften Kopien an AT&T zahlen, nicht für die Auslandskopien. Das spitzfindige Argument von Microsoft: Die außerhalb der USA verkauften Kopien - mit den geschützten Bestandteilen - würden ja nicht von Microsoft geliefert. Vielmehr liefere man lediglich Kopiervorlagen ins Ausland, von denen dann die Kopien für den Verkauf erstellt werden. Die Vorlagen selbst würden nicht verkauft.

    Der US-Supreme-Court machte sich das Argument von Microsoft in seiner 7:1-Entscheidung zu eigen: "Die Master-Disc oder die von Microsoft elektronisch übermittelte Software wird niemals auf einem für den Verkauf bestimmten Computer installiert. Stattdessen werden im Ausland Kopien für die Installation hergestellt." Die Richter entschieden, dass Microsoft für die Auslandskopien keine Lizenzgebühren an AT&T zu entrichten haben. Sollten die Nachteile die sich aus der Entscheidung für US-Patentinhaber ergeben, zu groß sein, sei es Sache des Kongresses, dieses "Schlupfloch" zu schließen. Die geltende Rechtslage gäbe es jedenfalls nicht her, gegen Microsoft zu entscheiden.

    In seinem abweichenden Minderheitenvotum erklärte Richter Stevens, dass seiner Meinung nach nicht die Kopien sondern die Windows-Software die patentverletzende Komponente darstellen würde. Wäre das oberste Gericht dieser Auffassung gefolgt, hätte es zu der Grundlagenfrage nach der Patentierbarkeit von Software Stellung beziehen müssen. Dem sind die Richter aus dem Weg gegangen.

    Besonders IT-Unternehmen drängen seit mehreren Jahren darauf, die Qualitätsstandards bei der Patenterteilung wieder anzuheben. Dagegen sprechen sich besonders Unternehmen aus den Pharma- und Biotechnologie-Branchen sowie reine Patentverwerter für eine möglichst breite Patentierbarkeit auch marginaler Weiterentwicklungen bei Produkten und Prozessen aus.

    Mit den jetzt ergangenen Entscheidungen setzt der US-Supreme-Court seinen in den vergangenen zwei Jahren eingeschlagenen Weg, die äußerst patentfreundliche Rechtsprechung des CAFC in Washington in ihren Grundlagen zu revidieren, mit aller Entschiedenheit fort. Es ist in der Folge der beiden jetzt gefällten Entscheidungen zu erwarten, dass in der Zukunft eine Fülle von bereits erteilten Trivialpatenten angefochten werden wird.

    Zu den Verlierern werden dabei sicher die "Patent-Trolle" und alle Unternehmen, die ihre Produktentwicklungsstrategien auf Trivialinnovation ausgerichtet haben, gehören. Zu den klaren Gewinnern gehören hingegen die Öffentlichkeit und die wirklich innovativen Entwickler und Unternehmen.


    quelle: Golem.de
     
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