Kanada presst das Öl aus seinen Böden

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von xxxkiller, 31. Mai 2007 .

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  1. 31. Mai 2007
    Kanadas Ölreichtum gehört zu den treibenden Kräften der Wirtschaft. Das Problem dabei: 174 Mrd. Barrel des schwarzen Goldes sind in Ölsanden gebunden. Sie können nur durch ein teures und die Natur belastendes Verfahren erschlossen werden. Umweltschützer sind äußert skeptisch.

    OTTAWA. Wer in Fort McMurray ein Haus kaufen will, sollte nicht zu lange zögern. „Man muss schnell sein und reagieren“, erklärt Marc Taplin, Immobilienmakler bei Century 21. Denn die Stadt im Norden Albertas, die vor wenigen Jahrzehnten noch ein verschlafenes Nest war, ist heute das Zentrum der kanadischen Ölsandindustrie und zieht jährlich Tausende Menschen an. „Wir haben einen erheblichen Mangel an Wohnhäusern“, sagt der Makler. Ein Haus, das vor zehn Jahren noch 100 000 Dollar kostete, kann heute mehr als 500 000 Dollar wert sein.

    Fort McMurray ist ein Symbol für Kanadas Energie- und Rohstoffreichtum. Milliardeninvestitionen der Ölindustrie haben den Ort inmitten des Athabasca-Ölfelds zu einem „Hotspot“ gemacht. Und die Infrastruktur hält mit dem Boom nicht Schritt. Umgerechnet rund 245 Mill. Euro will die Provinzregierung von Alberta in den kommenden drei Jahren in neue Krankenhäuser, Wohnhäuser und den Ausbau der Kanalisation stecken, um einen Kollaps in der Boomtown zu verhindern.

    Der Ölreichtum gehört zu den treibenden Kräften der kanadischen Wirtschaft. Vorsichtig geschätzt, werden die zugänglichen Reserven auf 179 Mrd. Barrel veranschlagt. Kanada rangiert damit auf Platz zwei hinter Saudi-Arabien.

    Das Problem: 174 Mrd. Barrel sind in Ölsanden gebunden und können nur durch ein teures und die Umwelt belastendes Verfahren erschlossen werden. Der schwere, schwarze Ölsand wird entweder im Tagebau abgebaut, oder das Öl wird direkt gewonnen, indem es bereits im Boden durch heißen Dampf verflüssigt und abgepumpt wird. Beide Abbaumethoden erfordern aber weitere chemische Prozesse, bevor das Produkt als synthetisches Öl vermarktet werden kann.

    Nachdem im Februar 1947 in der Gemeinde Leduc in Alberta Öl entdeckt wurde, konzentrierte sich die Industrie lange auf die konventionelle Förderung mit Bohrtürmen und Brunnen. Erst mit der weltweit steigenden Nachfrage und einem Anstieg des Ölpreises auf über 40 oder 50 Dollar pro Barrel erschien es lohnend, auch den „Teersand“ im Norden Albertas auszubeuten. Firmen wie Syncrude und Suncor, Petro Canada, Shell, Exxon und Texaco erwarben entsprechende Lizenzen.

    Heute produziert Kanada täglich rund 2,5 Mill. Barrel Öl – 1,3 Mill. Barrel aus konventionellen Quellen und 1,2 Mill. Barrel aus Ölsand. Bis zum Jahr 2020 könnte die Gesamtproduktion bei vier Mill. bis fünf Mill. Barrel pro Tag liegen –davon aus Ölsanden 3,3 Mill. bis vier Mill. Barrel, schätzt der Verband der kanadischen Petroleum-Produzenten (CAPP). Das National Energy Board, eine Bundesbehörde, geht davon aus, dass bis 2015 Investitionen von 94 Mrd. Can-Dollar in die Ölindustrie fließen werden.

    Umweltschützer sehen diese Entwicklung äußert skeptisch. So weist der World Wide Fund for Nature (WWF) darauf hin, dass die Ölproduktion aus Teersand dreimal mehr Energie verschlingt und fast dreimal so viel Kohlendioxid freisetzt wie die konventionelle Förderung. Zudem stößt den Klimaexperten sauer auf, dass umweltfreundlicheres Erdgas eingesetzt wird, um schmutzigeres Schweröl aus den Sanden zu fördern. „Die Öl- und Gasproduktion, besonders die schnelle Entwicklung der Ölsande, steigert signifikant die Treibhausgasemissionen“, stellte im vergangenen Jahr Kanadas damalige Umweltbeauftragte Johanne Gelinas fest. Inzwischen wird sogar darüber diskutiert, ob neue Kernkraftwerke nicht die nötige Energie für die Ölsand-Nutzung in Nord-Alberta liefern könnten.

    Trotz der Kritik setzen die konservativen Regierungen Albertas und Kanadas weiter auf die Ölsandindustrie: Neben den USA haben auch China und Südkorea starkes Interesse an Öl aus Kanada. Auch beim EU-Kanada-Gipfel am 4. Juni dürfte eine mögliche Energie-Partnerschaft ebenfalls ein Thema sein.

    „Wir werden nicht auf die Bremse treten“, entgegnet Albertas Premier Ed Stelmach Umweltschützern, die ein Moratorium bei der Entwicklung der Ölsandindustrie fordern. Das gilt auch deshalb derzeit als chancenlos, weil die Branche Jobs schafft. Die Öl- und Gasindustrie beschäftigt insgesamt rund 300 000 Menschen, davon allein 177 000 in der Exploration, im Abbau und in der Produktion. 75 Prozent dieser Arbeitsplätze sind in Alberta, das eine Sogwirkung auf Arbeitskräfte aus dem restlichen Kanada und dem Ausland ausübt, darunter auch aus Deutschland. Schon jammern andere Provinzen, dass die lukrativen, hoch dotierten Jobs in Albertas Ölindustrie bei ihnen zu einem Exodus führen. Was kein Wunder ist: Während ein Industriearbeiter im vergangenen Jahr nach Berechnungen von Statistics Canada im Schnitt 16,73 Dollar pro Stunde verdiente, kamen seine Kollegen in der Öl- und Gasförderung auf 30,36 Dollar.

    Schon klagt die Ölindustrie über die steigenden Arbeitskosten, die zu einem „Umfeld wachsender Ungewissheiten“ beitragen. Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach Rohstoffen wie Stahl zwar die Preise hochtreibt, wovon das Rohstoffland Kanada profitiert. Gleichzeitig verteuern sich mit steigenden Stahlpreisen aber etwa auch das Bohrgerät und damit die Ölförderung. „Kapital- und operative Kosten steigen, die Steuerpolitik hat sich geändert, eine Treibhausgas-Politik wird angekündigt – all das schafft ein höheres Maß an Unsicherheit in der Ölsandindustrie, als man es seit vielen Jahren gewöhnt ist“, jammern die Petroleum-Produzenten. Sie haben bereits Studien vorgelegt, die die Kosten für die Gewinnung eines Barrels synthetischen Öls aus Ölsand derzeit auf 35 bis 50 US-Dollar ansetzen – um Diskussionen von Politikern abzublocken, die der Industrie höhere Förderabgaben aufdrücken wollen.

    Quelle: handelsblatt.com
     
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