OECD-Studie zu wirtschaftlichen Folgen der Produktpiraterie

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von rainman, 5. Juni 2007 .

  1. 5. Juni 2007
    Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat zum Auftakt des G8-Gipfels in Heiligendamm eine Vorabversion ihrer Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Produktpiraterie veröffentlicht. Darin schätzt die Organisation den Schaden im internationalen Handel im Jahr 2005 auf rund 200 Milliarden Euro weltweit. Darin seien Schäden durch den Vertrieb von Fälschungen (darunter Software, Musik und Filme) und illegalen Digitalprodukten über das Internet nicht enthalten. Eingerechnet dieser Bereiche könne die Schadenssumme leicht mehrere hundert Milliarden höher sein, heißt es vorsichtig in der Studie.

    "Wenn wir ehrlich sind", räumt Wolfgang Hübner vom OECD-Department für Wissenschaft, Technologie und Industrie gegenüber heise online ein, "ist die aktuelle Größenordnung nicht wirklich feststellbar." Es gebe nicht genügend Statistiken, die vorhandenen würden nicht einheitlich geführt und es gebe unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe. Das gelte auch für die von der OECD für ihre Schätzungen verwendeten Angaben der Zollbehörden. Unklar sei, ob diese bei den aufgefundenen Fälschungen den Wert der Originalprodukte, den tatsächlichen Verkaufswert oder den von den Transporteuren deklarierten Wert ansetzten.

    Die OECD habe mit ihrer Studie, deren endgültige Ergebnisse im kommenden Monat veröffentlicht werden sollen, immerhin versucht, ein sinnvolles Modell für zuverlässige Schätzungen des wirtschaftlichen Effekts zu entwickeln. Dafür hat die OECD 17 Kernpunkte in einen Rahmenkatalog aufgenommen. Gleichzeitig schlägt die Organisation eine Reihe von Verbesserungen zur statistischen Erfassung vor, etwa ein einheitliches Reporting-System. Bei den Zahlen der Industrie, die in der Regel weit über den von der OECD jetzt bekannt gegebenen Schätzungen liegen, wisse niemand, wie diese errechnet wurden

    Die Zusammenfassung der Studie bleibt in zentralen Fragen der Diskussion vorsichtig. Der immer wieder angeführte hemmende Effekt von Piraterie auf Investitionen heißt es etwa in der Studie: "Ein hohes Maß an Fälschungen und Piraterie könnte den Anreiz für manche Firmen senken, in die Entwicklung neuer Produkte und Prozesse zu investieren. Allerdings gibt es dazu bislang wenige empirische Untersuchungen." Zwar geht man im Text nach wie vor von negativen Auswirkungen aus und verweist vor allem auf den pharmazeutischen Bereich. Allerdings ist man sich auch gegenläufiger Effekte in einzelnen Ländern bewusst. In China, so heißt es bei der OECD, gibt es neben dem vielleicht höchsten Maß an Ideenklau und Piraterie auch eine Rekordzahl an Patentanmeldungen.

    Mit der Studie will sich die OECD dem morgen beginnenden G8-Gipfel auch noch einmal als mögliche Plattform für den Dialog zwischen G8-Staaten und den eigens eingeladenen Schwellenländern (Brasilien, Indien, China, Mexiko und Südafrika) empfehlen. Am kommenden Freitag steht die Debatte über das geistige Eigentum auf der Agenda der versammelten Regierungschefs. Hübner sagte gegenüber heise online, man gehe bei der OECD nach wie vor davon aus, dass ein Gipfelergebnis in einem Auftrag der G8-Staaten an die OECD bestehen wird, den mit den Schwellenländern begonnenen Dialog bis zum Gipfel in zwei Jahren fortzusetzen. An konkrete legislative Maßnahmen sei dabei nicht gedacht, allerdings empfiehlt die Vorabstudie durchaus, dass Regierungen etwa den Unterschieden beim Schutzniveau Aufmerksamkeit schenken: in manchen Ländern können Verbraucher, die gefälschte Waren kaufen, belangt werden, in anderen nicht.

    Die Beauftragung der OECD ist dabei offenbar ein heißes Eisen. Justizministerin Brigitte Zypries hatte beim Vorbereitungstreffen der Justiz- und Innenminister in München einem möglichen OECD-Auftrag nicht bestätigt. Zypries sagte, das Thema werde mit den Entwicklungsländern in verschiedenen, anderen Organisationen besprochen. Gipfelkritiker hatten gewarnt, Bemühungen der Entwicklungsländer im Rahmen der Gespräche bei der World Intellectual Property Organisation (WIPO) zu konterkarrieren. Dort tobt seit einiger Zeit der Streit um eine stärkere Beachtung entwicklungspolitischer Aspekte des geistigen Eigentums. Man sähe es nicht gerne, würden die Industrienationen angesichts dieses Streits bei der WIPO nun schnell das Forum wechseln, sagen G8-Kritiker. Ein WIPO-Vertreter sagte, er glaube nicht, dass die G8-Initiative wirklich von Erfolg gekrönt sein werde.

    Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

    * Die Auseinandersetzung um das Urheberrecht in der digitalen Welt:http://www.heise.de/ct/hintergrund/meldung/68064

    (Monika Ermert) / (vbr/c't)

    Quelle:http://www.heise.de/newsticker/meldung/90679
     
  2. Video Script

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