"Als ob sich das Gehirn neu verschaltet"

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von Deejayy, 11. Juni 2007 .

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  1. 11. Juni 2007
    Halluzinationen bei Patienten mit Hirnschäden können ein Zeichen dafür sein, dass sich geschädigte Bereiche im Gehirn wieder erholen. Jetzt haben Forscher aus Magdeburg solche Trugbilder bei Schlaganfallpatienten künstlich stimuliert: Die Ergebnisse sind überraschend.
    Ein von Alexander Lurija, dem wichtigsten Begründer der Neuropsychologie, beschriebener Fall war Sassetzki, ein Hirnverletzter, der unter einer Fülle neurologischer Ausfälle litt, darunter eine Teilblindheit, sowie schwere Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Sassezki litt auch unter sonderbaren Halluzinationen: "Sobald ich die Augen zumachte, sah ich etwas Seltsames - ein menschliches Gesicht mit riesigen Ohren, wie mir schien, und mit ebenso merkwürdigen Augen. Oder mir erschienen einfach verschiedene Gesichter, Gegenstände und Räume. Also machte ich schnell die Augen wieder auf."
    Schon der Jenaer Neurologie-Professor Kölmel hatte darauf hingewiesen, dass solche irrealen Wahrnehmungen oft ein Zeichen dafür sind, dass sich teilblinde Bereiche nach einem Schlaganfall erholen.

    Doch Forscher der Otto-von-Guericke Universität im Magdeburg haben jetzt herausgefunden, dass solche Trugbilder im Wesentlichen nicht nur zu Zeiten der Spontanerholung auftreten, also in den wenigen Tagen und Wochen nach einer Hirnschädigung sondern auch viele Jahre später wieder induziert werden können. Über ihre Untersuchungen haben sie in der internationalen Fachzeitschrift "Neuropsychologia" berichtet.
    Besonderes Interesse hatten die Forscher daher an der Frage, ob sich durch ein visuelles Stimulationstraining (VRT) nicht nur das Gesichtsfeld erweitern lässt, sondern ob damit verbunden auch Halluzinationen viele Jahre nach der Spontanerholung wieder ausgelöst werden können. Dies könnte dann ein Zeichen von "heilenden Änderungen" des Sehhirns sein, welche durch die Stimulation induziert wird.
    In zwei Einzelstudien wurden einerseits 121 Patienten rückblickend befragt und andererseits 19 Patienten prospektiv untersucht, die für mindestens sechs Monate an einem Gesichtsfeldtraining teilgenommen hatten. Tatsächlich hatten viele Betroffene in ihrem eigentlich blinden Areal Trugbilder gesehen, besonders häufig Farbflächen oder sich bewegende Objekte, die aber nach Ende der Spontanerholung in der Regel verschwanden. Im Verlauf des Sehtrainings tauchten sie dann aber häufig wieder auf.

    Die Marburger Forscher konnten nun nachweisen, dass die irrealen Lichtblitze und Halluzinationen desto häufiger wahrgenommen wurden, je ausgeprägter die Verbesserung des blinden Gesichtsfeldes war. Diese "Trugbilder" traten interessanterweise aber nicht im vollständig blinden Bereich auf, sondern eher in teilgeschädigten Übergangsbereichen, die trainiert worden waren.
    Die Autoren der Studie gehen daher davon aus, dass Halluzinationen während eines Gesichtsfeldtrainings kein krankhaftes Zeichen sind, sondern ganz im Gegenteil, dass sie vielmehr ein wichtiger Indikator für Verbesserungen und einer Veränderbarkeit ("Plastizität") des visuellen Systems unterstreichen. Wie eine Patienten anmerkte: "Ich habe das Gefühl, als ob sich in meinem Gehirn neu verschaltet".
    Quelle

    Greetingz

    Timo
     
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