Finanzkrise erreicht Top-Verdiener in New York

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von Dw4rf, 8. September 2008 .

  1. 8. September 2008
    Leere Plätze in Edelrestaurants, fallende Preise für Luxusapartments. Im Zentrum der Finanzkrise haben Zehntausende Banker ihre Jobs verloren. Ex-Investmentprofis verkaufen alles, was sie haben, und hoffen, dass die schlechten Nachrichten endlich aufhören.

    Joshua Persky geht als Sandwich verkleidet auf der Park Avenue hin und her. Er sieht aus wie viele New Yorker, die ihr Einkommen aufbessern, indem sie Handzettel verteilen. Mit einem Unterschied: Persky macht weder Reklame für ein Kosmetikstudio noch für ein Konzert - sondern für sich selbst. "Erfahrener MIT-Absolvent sucht Job" war auf dem Schild zu lesen. MIT ist die Abkürzung für die Elitehochschule Massachusetts Institute of Technology. Auf den Handzetteln steht sein Lebenslauf.

    "Was sollte ich machen? Meine Rücklagen waren aufgebraucht", begründet Persky die ungewöhnliche Aktion. Bis vor einem Dreivierteljahr war er Banker und bezog ein ordentliches Gehalt. Dann erreichte die Hypothekenkrise seinen Arbeitgeber, die Investmentfirma Houlihan Lokey. Der 48-Jährige wurde zum ersten Mal in seinem Leben arbeitslos.

    Not macht erfinderisch – aber das Beispiel zeigt auch, wie verzweifelt die Lage vieler einst wohlsituierter Banker geworden ist. Mehr als 100.000 Mitarbeiter haben Banken und Brokerfirmen weltweit schon entlassen, und jede Woche werden es mehr. Besonders hart trifft es die Wall Street. Je länger die gegenwärtige Finanzkrise dauert, desto mehr greift dort die Angst um sich. Thomas Allraum, Mitglied der Geschäftsleitung der Investmentfirma Everest Capital, sieht die Branche in einem Teufelskreis: "Die Leute lesen schlechte Nachrichten, reden darüber und bestärken sich gegenseitig darin, dass es abwärts geht.

    "Das drückt die Ausgabefreude und veranlasst zu Notverkäufen. Als Erstes sind die Wochenendhäuser dran. Branchenkenner schätzen, dass die Preise für Häuser in den Hamptons, dem Freizeitparadies für Wall-Street-Millionäre auf Long Island, um durchschnittlich rund 20 Prozent gesunken sind. Das bekam auch Hedgefonds-Manager John Paulson zu spüren, einer der wenigen, die keine Finanzsorgen haben. Der Rekordverdiener will sein Anwesen in Southampton loswerden, weil er sich woanders ein größeres angeschafft hat. Im Frühjahr sollte die Villa mit verglastem Pool und Sauna noch 19,5 Millionen Dollar kosten - jetzt nur noch 16,9 Millionen. "Wir mussten unsere Vorstellungen der Marktentwicklung anpassen", sagt Paulsons Makler Michael Shaheen.

    Die Krise hat auch Vorteile
    Immerhin habe die Krise auch Vorteile, schrieb das "Wall Street Journal" sarkastisch: Jetzt müsse man seine Freunde nicht mehr bezüglich der Fahrtzeit zwischen den Hamptons und New York City anlügen: "Die Straßen sind leer, und jetzt brauchst du wirklich nur eine Dreiviertelstunde, wie du immer behauptet hast."

    In Manhattan kann man plötzlich in Edelrestaurants reservieren, die früher chronisch ausgebucht waren. Es gibt auch wieder Tickets für beliebte Broadway-Shows auf dem freien Markt, beobachtet James Finkel, Chef der New Yorker Investmentfirma Dynamic Credit. "Es ist insgesamt ruhiger geworden." Auch er selbst schnallt den Gürtel enger: Statt zu den US Open lädt er Klienten zur Weinprobe zu Hause ein; bei Konferenzen übernachtet er im preiswerten Zwei-Sterne-Gasthaus.

    Fischer in New England klagen darüber, dass die Nachfrage nach Hummer zurückgeht - sie bekommen nur noch 3,75 Dollar pro Tier, ein Dollar weniger als im vergangenen Jahr. Der Yachtbauer Brunswick verzeichnete im ersten Halbjahr 2008 bei den Aufträgen ein Minus von rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch in vielen Edelgeschäften gehen die Umsätze zurück: Das Nobelkaufhaus Saks auf der New Yorker Fifth Avenue etwa wies im zweiten Quartal einen Verlust von 31,7 Millionen Dollar aus, ein Drittel mehr als 2007.

    Vermögen wird vernichtet
    Die Krise reduziert nicht nur die Einkommen, sie vernichtet auch Vermögen. In den USA werden viele Angestellte teilweise in Aktien und Optionen entlohnt. Die Krisenbank Bear Stearns etwa gehörte zu rund 30 Prozent den Mitarbeitern. Sie sollen bei der Übernahme durch JP Morgan Chase insgesamt 5,2 Milliarden Dollar verloren haben.

    Auch bei denen, die sich nicht einschränken müssen, drückt die Stimmung aufs Portemonnaie. Hinzu kommt der ungewisse Ausgang der Präsidentschaftswahlen. "Man weiß ja nicht, ob da nicht Steuererhöhungen auf uns zukommen", sagt George Rexing, geschäftsführender Gesellschafter der Investmentfirma Rexing Holding.

    Die geschrumpften Budgets machen sich auch bei den in den USA beliebten Wohltätigkeitsveranstaltungen bemerkbar. So war das Interesse an der Gala der Rush Philanthropic Arts Foundation - einer Stiftung, die das Kunstverständnis von Kindern fördert - in diesem Jahr ungewöhnlich gering. "Wir hoffen, dass 700 Leute kommen", sagte Organisatorin Tangie Murray – üblicherweise sind es 900. Pikiert berichtete sie, dass Anrufer nach Rabatten für den Eintrittspreis von 1500 Dollar gefragt hätten: "So etwas gab es überhaupt noch nie."

    Beziehungsstress wegen materieller Sorgen
    Bei vielen Paaren führen die materiellen Sorgen zu Beziehungsstress. "Sie müssen die Mitgliedschaft im Country Club kündigen, den dreiwöchigen Urlaub in Europa stornieren, für die Kinder gibt es keine teuren Sommerfreizeiten mehr. Das ist für eine Ehe schon eine Belastung", erklärt Joshua Forman, ein Scheidungsanwalt in Manhattan. In seiner Praxis stieg die Zahl der Fälle um ein Fünftel.

    Die Boulevardzeitung "New York Post" berichtete detailliert über das Scheitern der Ehe von Cindy und Tom: Als Tom seinen Job als Aktienhändler verlor und damit auch sein Jahreseinkommen von einer Million Dollar, suchte sich Cindy umgehend einen Liebhaber. "Ich habe alles verloren: meine Ehe, meine Kinder, mein Einkommen, meine Identität", soll Tom weinend seinem Anwalt anvertraut haben.

    Gesprächsthema Nummer eins ist in diesen Tagen an der Wall Street aber die Frage, wann die Krise vorbei sein wird. "Irgendeine Nachricht, irgendeine Entwicklung kann den Trend umdrehen. Es ist Psychologie", sagt Thomas Allraum, der froh ist, dass seine Firma in Miami sitzt und nicht "im Epizentrum des Bebens", wie er es ausdrückt. James Finkel sagt: "Es wird besser, wenn es weniger schlechte Nachrichten gibt, als die Leute erwartet haben."

    Die Suche nach lukrativen Nischen läuft
    In der Zwischenzeit läuft die Suche nach lukrativen Nischen. Finkel, dessen Firma auf hypothekengedeckte Anleihen (CDOs) spezialisiert ist, bietet seinen Kunden statt neuer Fonds jetzt Consulting an. An Nachfrage mangelt es nicht: "Viele Anleger, die in diesem Markt investiert haben, suchen Rat", sagt er. Auch George Rexing hat Glück: Seine Firma ist auf Emerging Markets spezialisiert, "da läuft das Geschäft gut". Vor Kurzem hat er einen Kollegen eingestellt, der zuvor bei der Deutschen Bank mit CDOs gehandelt hatte.

    Joshua Persky, der Sandwich-Mann, ist dagegen immer noch arbeitslos. Weil er die Miete nicht mehr zahlen konnte, lebt er jetzt bei seiner Schwester in New York. Seine Frau ist mit den beiden Kindern nach Nebraska zu ihrer Mutter gezogen. Die meisten Möbel haben sie verkauft. Persky hat die Hoffnung auf einen Job nicht aufgegeben, doch bei den Angeboten, die er inzwischen bekam, hätte er auf Kommissionsbasis arbeiten müssen. "Ich möchte das eigentlich nicht, aber es scheint jetzt üblich zu sein. Vielleicht muss ich es akzeptieren?"


    Langweilig jedenfalls wird ihm nicht: Dank seiner Sandwich-Aktion erhielt er Hunderte mitfühlender Anrufe und E-Mails. Er hat eine Website eingerichtet, auf der er seine Fans über seine Jobsuche informiert, Absageschreiben veröffentlicht und Ratschläge erteilt: "Man darf das Ganze nicht persönlich nehmen!" Inzwischen spielt er gar mit dem Gedanken, ein Buch zu schreiben. Vielleicht ist auch das eine neue Einnahmequelle.

    Quelle: Welt.de
     
  2. 8. September 2008
    AW: Finanzkrise erreicht Top-Verdiener in New York

    Da sieht man mal wieder das der Finanzmarkt einfach alles beeinflusst ...
    und der Finanzmarkt wird widerrum von einigen wenigen beeinflusst ... die gewinnen wenn andere verlieren ... und wenn andere gewinnen, gewinnen eben diese wenigen noch mehr ...

    MfG seT-87
     
  3. 8. September 2008
    AW: Finanzkrise erreicht Top-Verdiener in New York

    Das ist dass, was mich immer so wundert.
    Wie kann etwas so großes wie der Amerikanische Finanzmarkt von so wenigen Leuten beeinflusst werden.
    Die ist Macht, EInfluss und Verantwortung die meiner Meinung zu groß für egal welchen Menschen sind.
    Egal welche Ausbildung, Erfahrung und Intelligenz dieser Mensch besitzt!
     
  4. 8. September 2008
    AW: Finanzkrise erreicht Top-Verdiener in New York


    Naja solche Finanzkrisen gab es schohn immer. Und die meisten waren den richtig großen Bänkern schon bekannt. Genauso wie jetzt das die Blase platzen würde war doch von vornerein klar. Grade bei dieser unglaublich massiven Spekulation auf die Immobilien.

    Abgesehen davon ist die freie Marktwirtschaft absolut schädlich für den Menschen und so lange wir weiter so dekadent leben wie bisher, wird es nur einen Gewinner geben die moderne Kapitalistenklasse.
     
  5. 8. September 2008
    AW: Finanzkrise erreicht Top-Verdiener in New York

    Es ist doch eh klar, dass unser Banksystem nicht funktionieren kann.
    Zentralbank und dann auch noch Privat. Wer glaubt denn bitte, dass sowas funktioniert?
     
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