Die Internet-Selbstverwaltung auf dem Prüfstand

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von LLogitech, 12. November 2008 .

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  1. 12. November 2008
    Vertreter aus Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft brachen auf dem Berliner Vorbereitungsgipfel für das Internet Governance Forum (IGF) der UN eine Lanze für die Aufrechterhaltung der Plattform zur globalen Debatte über netzpolitische Weichenstellungen. Die Probleme der Internetverwaltung und der Vergabe von Top Level Domains (TLDs) "sind mit den bestehenden UN-Systemen nicht mehr zu lösen", betonte Peter Voß, Leiter des Referats für internationale Netzpolitik im Bundeswirtschaftsministerium bei der Konferenz am Dienstag. Das IGF funktioniere als Platzhalter zwischen der International Telecommunication Union (ITU), die auf Standardisierung ausgerichtet sei, und der Domain-Verwaltung ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers). Nur in diesem Zwischenraum könne angemessen über Alternativen zur Vormachtstellung der USA bei der Internetregulierung diskutiert werden.

    ITU-Generalsekretär Hamadoun Touré hatte zuvor auf der jüngsten ICANN-Tagung in Kairo das IGF als eine Art teure internationale Schwatzbude abgetan, da in seinem Rahmen keine Entscheidungen getroffen werden dürften. Dass es dort "keine Schlussfolgerungen" gebe, räumte Michael Niebel, Abteilungsleiter in der Generaldirektion Informationsgesellschaft der EU-Kommission, ein. Es würden aber viele Bereiche debattiert, die sonst nirgendwo global besprochen würden. Diese Diskussionen könnten dann zurückgespielt werden in beschlussfähige Organisationen. Zudem sei das IGF gut geeignet, gewisse gemeinsame Werte zu entdecken und weiterzuentwickeln.

    Man solle das IGF nicht für eine eierlegende Wollmilchsau halten, meinte Niebel und erinnerte daran, dass neben dem Forum eine verstärkte Zusammenarbeit der Regierungen angedacht worden sei. Dieses parallele Vorhaben sei bisher aber "wilder Interpretationswut" über seine Aufgaben und Reichweite zum Opfer gefallen, bedauerte der Kommissionsvertreter. Er trete dafür ein, das umrissene Kooperationsmodell für die gleichberechtigte Entscheidungsbefugnis zwischen den Staaten noch zu schaffen.

    Auch Philipp Grabensee, Vorsitzender des Verwaltungsrats bei der Domainfirma Afilias, betrachtet das IGF als wichtiges Scharnier. Oft seien die dort geführten Debatten zwar statisch und die Implementierung gefundener Konsensregelungen langwierig. "Aber es ist das richtige Forum, um Selbstverwaltungsmechanismen zu diskutieren." Harald Summa, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco, bezeichnete das auch als "Davos des Internets" gehandelte Forum als nötig, "um das System der Selbstregulierung an sich aufrechtzuerhalten". Die in Deutschland beim Jugendschutz exerzierte "regulierte Selbstregulierung" sei dagegen ein halbgares Phantom: "Mit der Selbstkontrolle allein könnten wir wesentlich mehr erreichen."

    Annette Mühlberg, Mitglied des ICANN At-Large Advisory Committee (ALAC), begrüßte, dass die Diskussionen auf dem IGF gleichberechtigt zwischen allen Interessensgruppen verlaufen würden. Die Regierungen hätten gelernt, dass sie es sich nicht mehr leisten könnten, das in der Zivilgesellschaft vorhandene Know-how vor die Tür zu sperren. Umso bedauerlicher fand es die E-Government-Expertin der Gewerkschaft ver.di, dass der Einbezug aller "Stakeholder" beim nationalen IT-Gipfel der Bundesregierung noch immer nicht gewährleistet sei. Die Geschäftsführerin der für die .de-Domain zuständigen Denic, Sabine Dolderer, fügte hinzu, dass auf dem IGF erstmals auf einer weltweiten Plattform über Inhalte wie Datenschutz, digitale Kluft, Spam, Cybercrime oder Identitätsmanagement gesprochen werde.

    ICANN blieb zugleich Kritik nicht erspart. Das Ziel der Verwaltungsinstanz, mehr Wettbewerb und Markt bei der Domainverwaltung zu schaffen, bezeichnete Grabensee als "nur begrenzt geglückt". Dolderer monierte, dass die Kalifornier teils ihr Mandat überschreiten und national nicht haltbare Haftungsfragen vertraglich festzulegen versuchen würden. Mühlberg stieß sich an der Ankündigung ICANNs, 185.000 US-Dollar nur für die Anmeldung neuer TLDs kassieren zu wollen. Es sei völlig offen, wie die Non-Profit-Organisation diese Einnahmen wieder fürs öffentliche Wohlergehen ausschütten wolle. Niebel warf die Frage auf, ob selbst Städte für die Nutzung ihres eigenen Namens als Adresszonen die geplante zusätzliche Verwaltungsgebühr in Höhe von 75.000 US-Dollar jährlich zahlen müssten.

    Quelle: http://www.heise.de/newsticker/Die-Internet-Selbstverwaltung-auf-dem-Pruefstand--/meldung/118778
     
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