Kritik an Einschränkung von Social-Networking-Diensten - Falsche Angst vor MySpace

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von Melcos, 8. August 2006 .

  1. 8. August 2006
    Kritik an Einschränkung von Social-Networking-Diensten

    Bildungsexperten kritisieren eine US-Gesetzesvorlage, die den Zugang zu so genanntem Social-Networking-Diensten wie MySpace von öffentlichen Rechnern aus scharf regulieren soll. Das US-Repräsentantenhaus hatte den Gesetzesentwurf unter dem Namen "Deleting Online Predators Act of 2006", mit dem Minderjährige vor Gefahren auf kommerziellen Social-Networking-Websites und in Chat-Räumen geschützt werden sollen, vergangene Woche mit 410 zu 15 Stimmen angenommen. Das Gesetz geht nun an den US-Senat. Fachleute aus den Bereichen Bildungstechnologie und Medien sind alarmiert, dass der Gesetzgebungsvorgang überhaupt so weit fortschreiten konnte.

    "Das ist ein unglaublich falsches Gesetz, das nach allen Regeln der Vernunft niemals vom Kongress hätte verabschiedet werden dürfen", meint etwa Henry Jenkins, Literaturprofessor am MIT und Leiter des dortigen Programmes für vergleichende Medienwissenschaften. Jenkins ist sich sicher, dass das Gesetz das Unverständnis der Eltern ausnutze, die irrationale Ängste vor den Aktivitäten ihrer Kinder im Internet hätten. "Doch der Preis, diesen Druck durch die Eltern auszuhalten, ist für die Liberalen im Kongress wohl zu hoch", sagt Jenkins.

    "Wenn das Gesetz tatsächlich die Kinder schützen würde, wäre das ja okay", meint auch Danah Boyd von der University of California in Berkeley, die als führende Wissenschaftlerin auf dem Gebiet Social Networking gilt. Das abgekürzt DOPA genannte Gesetz helfe überhaupt nichts, sondern werde die gesamte Social-Networking-Industrie lahm legen und die Jugend verstärkt in Arm und Reich unterteilen. Auf lange Sicht, sagt Boyd voraus, dürfte das Gesetz nur dazu führen, dass sich die jungen Leute auf "Underground"-Angeboten träfen, die von den Erwachsenen dann gar nicht mehr zu kontrollieren seien. "Die werden dann von Site zu Site hüpfen, sodass niemand mehr mithalten kann. Nicht mal die Polizei oder die Betreiber solcher Seiten."

    source: heise.de

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    Falsche Angst vor MySpace

    95 Millionen registrierte Nutzer gibt es auf MySpace. Wenn der "Social Networking"-Marktführer ein eigenes Land wäre, dann wäre er das zwölftgrößte der Welt, angesiedelt irgendwo zwischen Mexiko und den Philippinen. Ein neues US-Gesetz, der so genannte "Deleting Online Predators Act" (DOPA) könnte nun aber dafür sorgen, dass MySpace und ähnliche Seiten zu Bereichen werden, die junge Menschen gar nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen betreten dürfen. Die gegen Kinderschänder und andere Internet-Gefahren ausgerichtete Verordnungssammlung verbietet nämlich unter anderem, dass auf MySpace und Co. von Schulcomputern und Bibliotheken aus zugegriffen werden kann.

    DOPA, vom republikanischen Abgeordneten Michael Fitzpatrick aus Pennsylvania angeführt, wurde am 26. Juli im US-Repräsentantenhaus mit 410 zu 15 Stimmen verabschiedet. Das Gesetz verbietet es Einrichtungen, die Bundesgelder erhalten, einen Internet-Zugriff auf kommerzielle Social-Networking-Seiten und Chatrooms anzubieten, weil sich dort Erwachsene herumtreiben könnten, die auf der Suche nach sexuellen Kontakten mit Kindern und Jugendlichen sind.

    Das Gesetz geht nun an den US-Senat. Fachleute aus den Bereichen Bildungstechologie und Medien sind alarmiert, dass der Gesetzgebungsvorgang um DOPA überhaupt so weit fortschreiten konnte. Sie glauben nicht daran, dass mit dem Gesetz Online-Kinderschändern Einhalt geboten werden kann. Stattdessen werde DOPA dafür sorgen, dass junge Menschen in armen Regionen der USA künftig den Anschluss an wichtige Online-Gemeinschaften verlieren, die zunehmend zu einem zentralen Teil der Jugendkultur in den USA werden. Die Kritiker glauben, DOPA sei nichts anderes als Aktionismus im Wahlkampf die Kongressmitglieder wollten keinesfalls als "weich" im Bereich Online- Kinderschutz gelten.

    "Das ist ein unglaublich falsches Gesetz, das nach alles Regeln der Vernunft niemals vom Kongress hätte verabschiedet werden dürfen", meint etwa Henry Jenkins, Literaturprofessor am MIT und Leiter des dortigen Programmes für vergleichende Medienwissenschaften. Jenkins ist sich sicher, dass das Gesetz das Unverständnis der Eltern ausnutze, die irrationale Ängste vor den Aktivitäten ihrer Kinder im Internet hätten. "Doch der Preis, diesen Druck durch die Eltern auszuhalten, ist für die Liberalen im Kongress wohl zu hoch", sagt Jenkins.

    Sollte nun auch der Senat das Gesetz durchwinken und das Regelwerk dann auf dem Schreibtisch von Präsident Bush landen (der es wahrscheinlich unterzeichnen wird), müsse man jedoch einen wesentlich höheren Preis zahlen, so Jenkins und andere Kritiker von DOPA. "Wenn das Gesetz tatsächlich die Kinder schützen würde, wäre das ja okay", meint etwa die Doktorandin Danah Boyd von der University of California in Berkeley, die als führende Wissenschaftlerin auf dem Gebiet Social Networking gilt. Doch DOPA helfe überhaupt nicht. "Von den 300.000 Kindesentführungen, die im Jahr in den USA begangen werden, werden nur zwölf von Fremden begangen." DOPA werde die gesamte Social-Networking-Industrie lahm legen und die Jugend verstärkt in Arm und Reich unterteilen.

    Genau das besorgt auch Jenkins am meisten: "Schon jetzt gibt es große Unterschiede zwischen Kindern, die vielleicht einmal am Tag für zehn Minuten in der Bücherei ins Internet gehen können und solchen, denen das Netz 24 Stunden am Tag vom Kinderzimmer aus zur Verfügung steht." Bereits heute sei in den Bibliotheken den aktuellen Gesetzen entsprechend nur noch gefiltertes Internet verfügbar, das große Teile des Netzes blockiere. Nun wolle die Politik weitere Einschränkungen: "Hier wird die Möglichkeit beschnitten, an etwas Wichtigem teilzuhaben." Ärmeren Jugendlichen werde so verboten, an wichtigen kulturellen Erfahrungen ihrer Generation teilzunehmen, die viel mit solchen Technologien zu tun hätten.

    Die aktuellen Internet-Filter in Schulen und Bibliotheken, die eigentlich Online- grafie und "obszöne" Materialien im Internet blockieren sollen, hätten bereits jetzt einen enorm negativen Effekt auf die Bildung, meint Jeff Cooper, Experte für Bildungstechnologie und zuvor Lehrer an einer Highschool in Portland. "Diese "Just say no"-Philosophie funktionierte noch nie. Man tritt damit alle "Social Networking"-Angebote in die gleiche, negative Tonne, doch Alternativen werden den Kindern nicht geboten. Es gibt so viele gute Dinge im Internet, über die niemand spricht."

    Hauptkritikpunkt an DOPA ist der harte Kurs, der damit in den Schulen und Bibliotheken Einzug hält: Zwar könne man schnell zu der Meinung kommen, es sei gut, wenn Kinder ihre Zeit nicht auf MySpace vertrödeln, doch das Gesetz verbiete nahezu jedes Web-Angebot, das eine Netzwerk- oder Chat-Komponente habe, so die Kritik. So würde dann beispielsweise auch "TappedIn.com" nicht mehr funktionieren, ein Social-Networking-Angebot für Lehrer und Schüler. Es erlaubt beispielsweise den Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden als Teil eines "virtuellen Klassenzimmers". "Wenn MySpace verboten ist, werden auch Angebote wie TappedIn verboten", meint Cooper.

    Befürworter von DOPA zitieren gerne einen Bericht aus dem Jahr 2000, in dem die US-Kinderschutzvereinigung "National Center for Missing and Exploited Children" meint, dass ein Fünftel aller Kinder bereits sexuell im Netz angesprochen worden seien sei es in Chat Rooms, per Instant Messaging-Botschaft oder per Mail. Social Networking-Expertin Boyd betont allerdings, dass die meisten dieser sexuellen Anspielungen und Verführungsversuche von anderen jungen Leuten kämen nur vier Prozent seien laut der Studie über 25. Die meisten Kinder reagierten auf solche Offerten außerdem überhaupt nicht. "Wenn man nun ein paar neue Netzwerkangebote dicht macht, hält das Online-Kinderschänder kein bisschen ab", meint Ex-Lehrer Cooper. Man könne dann ja gleich das ganze Internet abschalten.

    Jeff Urbanchuck, Pressesprecher des DOPA-Erfinders Fitzpatrick, meint hingegen, die Leute verstünden das Gesetz einfach nicht. Es sei dazu da, das Risiko für Kinder auf bestimmten Seiten zu reduzieren solchen nämlich, wo es persönliche Profile mit persönlichen Daten gäbe, inklusive E-Mail und Instant-Messaging-Accounts Diese würden potenziellen Kinderschändern helfen, Opfer zu finden. "Kritiker dehnen das auch auf Angebote außerhalb von MySpace & Co. aus und argumentieren, dass Social Networking heute überall vorkommt und das Internet eigentlich ein großes soziales Netzwerk ist." Doch das sei nicht der Zielbereich des Gesetzes. "Es wendet sich gegen spezifische Angebote, in denen es Profile gibt, die Kinderschänder nutzen. Darauf wollen wir das Gesetz maßschneidern."

    Doch sollte DOPA sich tatsächlich nur auf solche Profilseiten konzentrieren, würden auch zahlreiche harmlose Angebote blockiert so bieten etwa auch Online-Bilderdienste wie Flickr und nicht nur Spezialangebote wie TappedIn-Profile an. Auf lange Sicht, sagt Boyd voraus, dürfte das Gesetz nur dazu führen, dass sich die jungen Leute auf "Underground"-Angeboten träfen, die von den Erwachsenen dann gar nicht mehr zu kontrollieren seien. "Die werden dann von Site zu Site hüpfen, sodass niemand mehr mithalten kann, nicht mal die Polizei oder die Betreiber solcher Seiten."

    source: Technology Review

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