Fern-Beziehung

Dieses Thema im Forum "Alltagsprobleme" wurde erstellt von Kecks, 10. Mai 2009 .

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  1. 10. Mai 2009
    Fern-Beziehung und Wochenendbeziehung - Chancen und Belastungen für die Partnerschaft
    Peter Wendl


    Partnerschaft auf Distanz: die Ausgangslage
    Eine Beziehungsform, bei der zwei Partner räumlich voneinander getrennt leben - oft viele Auto-, Zug-, oder Flugstunden voneinander entfernt, ist keine Seltenheit. Im Zeitalter der Mobilität entstehen so für Partnerschaft und Familie ganz eigene Lebensbedingungen. Nicht nur Soldaten und deren Partner, auch Manager, Fernfahrer, Politiker, Studenten, Seefahrer usw., erleben häufig vom Partner räumlich getrennte Zeiten - "immer wieder" oder gar regelmäßig. Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens jede achte Partnerschaft "auf Distanz" gelebt wird. Die eigentliche Zahl dürfte um ein Vielfaches höher liegen, wenn jene Berufstätigen berücksichtigt werden, die nicht in zwei getrennten Haushalten leben, sondern bei Abwesenheit von Zuhause in Gemeinschaftsunterkünften bzw. Hotels wohnen. Die tatsächliche Zahl ist kaum messbar. Bei Akademikern wird ein Schnitt von bis zu 25% angenommen, die in einer Fern- bzw. Wochenendbeziehung leben.

    Unabhängig davon, ob die Distanz nun bewusst von den Partnern so gewählt, also gewollt ist, oder aber ob berufliche bzw. private Rahmenbedingungen diese Entfernung erzwingen, die Fern-Beziehung also ungewollt ist und so schnell wie möglich beendet werden soll, stellen sich verschiedene Fragen für die Partner auf Distanz immer wieder neu: Können wir uns treu sein? Verändern wir uns und leben uns auseinander? Wie gestalten wir unsere unterschiedlichen "Alltage" so, dass der Partner daran teilhaben kann? Wie gestalten wir, jedes mal aufs Neue, das Wiedersehen so, dass die oft knapp bemessene gemeinsame Partnerschaftszeit für uns erfüllend ist und bleibt?

    Diese Fragestellungen besitzen gleichermaßen ständige Aktualität bei Trennungen über Wochen und Monaten wie auch bei Trennungen bei Wochenendbeziehungen. In den vorliegenden Überlegungen wird daher nicht immer unterschieden, wie lange die getrennte Zeit dauert, auch wenn die psychische Belastung der Partner stark davon abhängig sein kann. Die hier aufgezeigten grundlegenden Bedingungen sind für längere Fern-Beziehungen und für Wochenendbeziehungen ähnlich.

    Die Kernprobleme der Fern-Beziehung
    Die zwei verschiedenen Alltags- und Erlebniswelten
    Ein Kernproblem der räumlich getrennten Beziehung ist die Tatsache, dass die beiden Partner bei jedem Wiedersehen aus meist gänzlich verschiedenen Alltagen kommen - und so bei der Rückkehr des einen zwei verschiedene Lebenswelten aufeinander prallen. Die zentralste aller Herausforderungen für das Paar ist es daher, eine eigene Art und Weise in der Kommunikation entwickeln zu müssen. Das Paar muss versuchen, sowohl die je unterschiedlichen positiven und negativen Erlebnisse im Alltag, Befindlichkeiten, Erwartungen bzw. Hoffnungen, Ängste bzw. Befürchtungen "mit-zu-teilen", um an der Erlebniswelt und an der Gefühlswelt des anderen teilhaben zu können.

    Auch wenn die Partner versuchen, den anderen nach besten Möglichkeiten am eigenen Alltag teilhaben zu lassen und den Alltag des anderen mitgeteilt zu bekommen, so bleibt doch das Kernproblem bestehen: Egal ob nach einer Arbeitswoche oder nach Wochen und Monaten der Trennung, die beiden Persönlichkeiten müssen bei jedem Wiedersehen Erlebnisse, aber auch innere und äußerliche Veränderungen und Entwicklungen, zur gemeinsamen Erlebniswelt zusammenfügen.

    Zentrale Erfüllungs- und Belastungsfaktoren der Fern-Beziehung
    Zentrale Erfüllungs- und Belastungsfaktoren in einer Partnerschaft sind die folgenden wichtigen Aspekte, deren Qualität darüber entscheidet, wie zufrieden stellend bzw. erfüllend oder eben entsprechend belastet die Partnerschaft empfunden wird:

    * Liebe,
    * gelingende Kommunikation (verbal und nonverbal),
    * Geborgenheit (Intimität) und Vertrauen sowie
    * erfüllende Sexualität.

    Liebe steht für die grundlegende geistige Verbundenheit und Basis des Paares. Damit sind ebenso die gegenseitige Wertschätzung sowie der Verzicht darauf, den Partner beherrschen zu wollen, gemeint. Der gelingenden Kommunikation, sowohl in Worten als auch wortlos (in Gesten, Mimik usw.), kommt die herausragende Stellung in der Partnerschaft im Allgemeinen und in der Fern-Beziehung im Besonderen zu. Die gegenseitige Geborgenheit (Intimität) und das Vertrauen stehen für das Gemeinsamkeitsgefühl (Wir-Gefühl) sowie eine gegenseitige Verlässlichkeit und ermöglichen auch körperlich spürbar ein "Sich-Anlehnen-und-Fallenlassen-Können". Darüber hinaus ist die eigene Form gemeinsamer, erfüllender Sexualität die vierte wesentliche Säule, die für die Erfüllung der Beziehung verantwortlich ist.

    Werden nun eine oder mehrere Säulen auf Dauer in der Partnerschaft als nicht zufrieden stellend erlebt, so ist die Partnerschaft entsprechend belastet.

    Hier zeigt sich - neben den unterschiedlichen Lebenswelten - eine weitere wesentliche Problematik der Fern-Beziehung: Alle vier Dimensionen können während der örtlichen Trennung nicht auf "konventionelle" Weise, wie in einer "Nahbeziehung", ge- und erlebt werden. Sowohl die Kommunikation und die Geborgenheit bzw. Intimität als auch die erfüllende Sexualität können in den Zeiten der Trennung naturgemäß nur auf meist defizitäre Weise, also "bruchstückhaft" bzw. einseitig, erlebt werden. Daraus kann dann abgeleitet werden, dass die Qualität der Liebe stark davon abhängig ist, wie es dem Paar gelingt, sich über die Gedanken - und die Gefühlswelt, aber vor allem auch die erfüllende Gestaltung dieser zentralen Faktoren sowohl während der getrennten als auch in den gemeinsamen Zeiten zu verständigen.

    Der Ablauf der Gefühlsentwicklung in der Fern-Beziehung ("emotionale Entwicklungszyklen")
    Tatsächlich erleben viele Paare gewisse Abläufe und Gefühlsentwicklungen bei aller Individualität immer wieder auf ähnliche (analoge) Weise. So sind generell Krisen- bzw. Trauerphasen im Ablauf der einzelnen Abschnitte der Fern-Beziehung zu erkennen. Selbstverständlich sind die Entwicklungen je nach Grund, Dauer, Häufigkeit, Rahmenbelastungen (psychische und physische Erlebniswelt) und Belastung bzw. Erfüllung im getrennten Alltag verschieden. Auch die prinzipielle Beziehungszufriedenheit und -stabilität wirken sich unmittelbar auf die Gefühlsentwicklung aus. Davon abgesehen sind jedoch folgende Phasen vor der (unmittelbaren) Abreise, während der Trennung und beim bzw. nach dem Wiedersehen, ähnlich wie belastenden Ereignissen (wie z.B. der Diagnose einer lebensbedrohenden Krankheit), zu erkennen:

    * 1. Phase: Distanzierung, Rückzug und Verleugnung der Problematik (Isolation und Negation)
    * 2. Phase: Wut, Zorn, Traurigkeit bis hin zur Depression und schließlich langsame Akzeptanz des veränderten Zustandes
    * 3. Phase: Loslösung (Distanz) und Annahme der veränderten Voraussetzungen (Akzeptanz) und daraus folgende zunehmende Neugestaltung der veränderten Situation. Hinzu kommt schließlich ein zunehmender Austausch (Interaktion) mit wichtigen Menschen über die Konsequenzen bzw. die allmähliche Fähigkeit, wieder auf andere zuzugehen (Solidarität).

    Unmittelbar vor der Abreise distanzieren sich die Partner sehr oft voneinander - oder haben ein außergewöhnlich hohes Anlehnungsbedürfnis. Der Rückzug vom Partner bedeutet in dieser Abreisephase oft nichts anderes, als dass die bevorstehende Abreise schon unmittelbar "vorab betrauert" wird (prospektive Trauer). Auch wenn eigentlich beide Partner die wenige verbleibende gemeinsame Zeit möglichst harmonisch gestalten wollen, so wirft doch die Trennung schon ihre Schatten voraus.

    Ähnlich wie vor einem anderem belastendem Ereignis (z.B. einer schweren Operation) oder auch in anderen Zeiten, in denen die Partner die gemeinsame Zeit besonders harmonisch und gefühlvoll erleben möchten (vgl. Weihnachtstage), ist es für die Paare wichtig zu wissen, dass nun gerade in diesen Phasen oft gestritten und diskutiert wird - und sich die Partner voneinander distanzieren. Wichtig ist für die Paare das beruhigende Wissen, dass diese Konflikte (Disharmonien) nicht unüblich sind - und dass in diesen Zeiten nicht gezeigte Gefühle (Emotionen) in keiner Weise bedeuten müssen, dass die Gefühle generell fehlen würden.

    In der Wochenendbeziehung kann dieses Gefühl als "Sonntags-Gefühl" bei der Abreise bezeichnet werden. Ab spätestens Mittag beginnen dann die Planungen für die kommende Woche. Abreise- und Fahrtplanungen, aber auch das Vorbereiten der Wäsche (Waschen, Bügeln usw.), belasten die verbleibende gemeinsame Zeit und sorgen oft für ein Gefühl der Beklemmung unter den Partnern.

    Unmittelbar bei der Abreise und in den Tagen danach erleben die Paare dann oft ein "Verlorenheitsgefühl" mit eventuell großen Gefühlsschwankungen ("emotionale Desorganisation"). Wut (auf die Fern-Beziehung, auf den Partner usw.), Zorn und Traurigkeit gehen oft ebenso damit einher ("Sonntags-/ Montagsgefühl").

    Hat sich die Gefühlswelt in der getrennten Zeitspanne langsam eingependelt, stabilisiert sich bei den Partnern der zunehmend souveräne Umgang mit dem neuen Alleinsein (vgl. Akzeptanz und Neugestaltung). Im Laufe der Woche erleben die Partner, je nach Qualität der Beziehung, immer wieder Sehnsucht und Einsamkeit ("Jojo-Effekt" der Gefühle), aber auch zunehmende Stabilität. Die Partner können nun die Chancen und Freiräume erkennen und gestalten; das Selbstbewusstsein wird durch das Bewältigen der Trennung gestärkt.

    Kurz vor der Rückkehr beginnen die Planungen für die gemeinsame Zeit. Es werden Pläne für das Wiedersehen geschmiedet. Nun aber prallen bei der Rückkehr die beschriebenen Lebens- und Alltagswelten aufeinander. Trotz Befürchtungen, Erwartungen, Hoffnungen und dem Wissen um die angespannte Situation möchten beide Partner das Wiedersehen bzw. die Rückkehr möglichst harmonisch gestalten. Anstelle der erstrebten Harmonie "regieren" aber oft wieder - nachdem sich die erste Freude über das Wiedersehen eingependelt hat - Streit, Auseinandersetzung und Disput. Dies führt nicht selten zu Enttäuschungen und zu dem Gefühl, sich auseinander gelebt zu haben bzw. sich fremd geworden zu sein.

    Aber auch hier ist es für die Paare wichtig zu wissen, dass dies normale Entwicklungen sind, die das Paar überwinden bzw. dazu nutzen kann, sich weiter zu entwickeln. Es muss "nur" einsehen, dass das neue Aneinander-Gewöhnen Zeit braucht. Als zeitliche Faustregel gilt, dass das Wiedergewöhnen der Partner aneinander etwa so lange dauert, wie die Trennung selbst - und bis zu 50% länger. Bei einer Trennung von sechs Monaten (vgl. Auslandseinsätze von Soldaten) kann die Zeit, die das Paar benötigt, wieder ein neues, gemeinsames "Team" zu werden, etwa sechs bis neun Monate beanspruchen. Erst dann sind oft auch alle wesentlichen Rituale, Zuständigkeiten und der Umgang miteinander neu eingespielt.

    Legt man diese Faustregel für die Fern-Beziehung zugrunde, zeigt sich auch die besondere Belastung der Wochenendbeziehung. Einerseits sieht sich das Paar relativ oft, meist also jedes Wochenende. Darüber hinaus aber bleibt auf Dauer eine knapp bemessene, oft nicht ausreichende, gemeinsame Zeit, um die getrennte Zeit, den Alltag, aufzuarbeiten. Die eigentliche gemeinsame Partnerschaftsphase beschränkt sich, nachdem sich die "Stürme" des Wiedersehens ("Freitags-Gefühl") gelegt haben, auf den Samstag und den eingeschränkten, meist nur halben Sonntag. Lediglich diese kurze Zeitspanne steht für die Aufarbeitung des Vergangenen und die Planung und Gestaltung des Kommenden zur Verfügung.

    Auf Dauer besteht also neben der Problematik, keinen gemeinsamen Alltag zu haben, die Gefahr einer "Veroberflächlichung" der Beziehung mit zu wenig Gelegenheit, Gefühle, Hoffnungen bzw. Erwartungen und Ängste bzw. Befürchtungen auszutauschen.

    Die Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten der Fern-Beziehung
    Lernt das Paar, sich mit den Belastungen der Partnerschaft auf Distanz zu arrangieren und die besonderen entstehenden Freiräume zu nutzen, bietet die Fern-Beziehung eine außergewöhnliche Chance, Partnerschaft intensiv und kreativ zu gestalten und zu erleben. Wesentliche Belastungen und Chancen bei Fern-Beziehungen sind demnach (vgl. Wendl 2005; Schneider/ Limmer/ Ruckdeschel 2002):

    * der große Anteil an gemeinsamer Lebenszeit, die im wahrsten Sinne des Wortes "auf der Strecke bleibt".
    * der eigene Lebensrhythmus schließt oftmals andere (Freunde und Verwandte) sowie Liebgewordenes (Hobby) aus.
    * die Entwicklung unterschiedlicher Lebenswelten zwischen den Paaren und die Problematik, diese Unterschiede - je nach gemeinsamen Zeit-Frequenzen - stets neu als gemeinsame Beziehungswelt erringen zu müssen.
    * die außergewöhnliche Chance auf Selbständigkeit und Selbstbewusstsein in der Partnerschaft: Single-Zeiten wechseln sich mit intensiver Verbundenheit ab.
    * die Tatsache, dass gemeinsames Alltagsleben nur in den gemeinsamen Zeiten gelebt werden kann. Partner können in den getrennten Zeiten kaum unmittelbar mit dem Lebenspartner rechnen.
    * da meist ein Partner deutlich mehr Zeit in der gemeinsamen Wohnung verbringt, wird das Zuhause zunehmend unterschiedlich (meist sogar nicht mehr neutral, sondern positiv oder negativ) empfunden. Es besteht stets die Gefahr, dass ein Partner die gemeinsame Zeit als "Einbruch" in den eigenen Alltag empfinden könnte ("Erleichterung", wieder allein sein zu können im eigenen Reich). So spielen sich Rituale z.B. einerseits für die gemeinsamen Zeiten, andererseits für die getrennten Zeiten ein. Es besteht aber auch die große Chance der stetigen Verlebendigung und die Möglichkeit, einen "Alltagstrott der Beziehung" zu verhindern. Das einseitig Eingespielte und Langweilende im Alltagstrott ist immerhin eine der größten Gefahren für viele Beziehungen.
    * die Partner verändern sich während längerer Trennungen ("äußerlich und innerlich). Kleinste Veränderungen werden intensiver (positiv wie negativ) wahrgenommen.

    Die Auswirkungen dieser Grundlagen auf die Partnerschaft variieren je nach Zustand der Beziehung (Stabilität und Beziehungszufriedenheit der Partner) sowie je nach den Rahmenbedingen der Partnerschaft (Angehörige, Kinder, Belastungen bzw. Unterstützung im privaten und beruflichen Bereich usw.).

    Orientierungsregeln für die Wochenendbeziehung
    Auch wenn jede Fern-Beziehung letztlich vom Paar selbst bewältigt werden muss, so sind folgende Regeln doch als Orientierung zu nennen, wie Fern-Beziehungen gelingen können (nach G. Bodenmann, vgl. Wendl 2003, S. 150):

    1. Definieren Sie sich als Paar und erhalten Sie das Wir-Gefühl.
    2. Vereinbaren Sie regelmäßige Treffen und lassen Sie diese nicht ausfallen.
    3. Verabschieden Sie sich möglichst nicht voneinander, ohne zu wissen, wann Sie sich wieder sehen werden.
    4. Sie vermeiden Enttäuschungen, wenn Sie das gemeinsame Wochenende nicht mit überhöhten Erwartungen überfrachten.
    5. Belasten Sie die gemeinsame Zeit nicht mit zu vielen Verpflichtungen wie Einkaufen, Putzen oder Besuchen bei Verwandten.
    6. Kommunizieren Sie auch während der Woche regelmäßig miteinander und lassen Sie den Partner an Ihrem Alltag teilhaben.
    7. Schaffen Sie Rituale. Diese verstärken das Gefühl der Gemeinsamkeit.
    8. Sprechen Sie Konflikte an und lösen Sie diese schnell, auch wenn es die Harmonie der raren gemeinsamen Zeit stört.
    9. Lernen Sie Auseinandersetzungen auch am Telefon zu lösen, so dass Sie das gemeinsame Wochenende ohne Ärger beginnen können.
    10. Lassen Sie die letzten gemeinsamen Stunden nicht nur von Traurigkeit beherrschen, falls Ihnen der Abschied schwer fällt. Vermeiden Sie schmerzhafte und lange Abschiedsszenen.
     
  2. 10. Mai 2009
    AW: Fern-Beziehung

    Und was bringt uns das?

    Jeder kann selbst googlen ^^

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