Das Einmaleins der Demagogie

threshold · 14. Mai 2009

Ein interessanter Text, gefunden in einem anderen Forum

"Immer wieder tauchen SIE auf. Manipulieren uns. Sagen uns, was wir denken sollen. Unterdrücken jeden Widerstand. Gründen sogar Bielefeld. SIE sind überall, wissen alles, können alles, sind allmächtig. Wer SIE sind? Das weiß keiner so genau, außer IHNEN. Aber gerne werden SIE als Argument gebraucht, in der einen oder anderen Form. Anders lässt sich doch unsere moderne Welt gar nicht lenken, oder? Die Beeinflussung der Massen ist doch nur durch eine organisierte Kaste von Weltlenkern möglich, die an allen Schalthebeln sitzt und die Menschheit wie ein großes Gehirn lenkt?

Weit gefehlt. Auch wenn dieses bequeme Denkmuster oft benutzt wird und auch gerne hier im WZ immer wieder mal aus seinem Loch lugt, ist die Annahme einer Weltverschwörung eigentlich völlig überflüssig. Im Gegenteil, Manipulation, Demagogie, die Willensbildung fremder Menschen ist so einfach durchzuführen, dass ein Achtklässler es ohne Probleme könnte. Wenn er denn wollte und man es ihm erklären würde. Einen kleinen Einführungskurs möchte ich denn hier auch geben.

Wieso z.B. lässt sich der große Teil der Menschen manipulieren? Ganz einfach: Weil fast alle dumm sind.

Naja, um genau zu sein, stimmt das nicht ganz. Der Grund ist weniger, dass die meisten Menschen dumm sind (was auch gar nicht stimmt). Vielmehr ist entscheidend, dass soviele Leute GLAUBEN, die meisten anderen wären dumm. An diesem Punkt setzt der geschickte Demagoge den Hebel an. Tatsächlich dumme Leute zu beeinflussen, ist nicht besonders schwer. Aber nachweislich werden ja auch viele intelligente Leute leicht manipuliert, an der Intelligenz selbst kann es also nicht liegen. Wie kriegt man einen Intelligenten nun dazu, das Hirn abzuschalten?

Ganz einfach: Indem man ihn bei seiner Eitelkeit packt. Menschen neigen dazu, Thesen, die ihren Vorstellungen entsprechen, weniger stark zu prüfen als Thesen, die ihnen widersprechen. Das ist völlig normal. Dieses Verhalten kann man nun sehr leicht verstärken, indem man demjenigen suggeriert, er würde sich von der Masse abheben. Wer dem Demagogen zustimmt, ist schlau, erhaben über die Masse, eine intelligentere Lebensform. Das ist natürlich unwahrscheinlich, aber wer der Meinung ist, der Rest der Welt sei eh größtenteils dumm, wird hier den offensichtlichen Widerspruch nicht entdecken. Daher formulieren wir also die erste Regel der Demagogie:

1.) Lass Dein Gegenüber glauben, er wäre überlegen, wenn er Dir zustimmt. Streichle seine Eitelkeit.

Ebenso nützlich wie Eitelkeit ist Ignoranz. Wer ignorant ist, möchte von anderen Ansichten und Meinungen nichts hören. Dieses Verhalten gilt es zu bestärken, um den Anhänger gegen Argumente von außen zu immunisieren. Deswegen gleich die zweite Regel:

2.) Fördere Ignoranz. Bestärke den Zuhörer darin, dass es nicht nötig ist, sich andere Meinungen anzuhören.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Wunsch, die Last der Verantwortung und des Denkens abzugeben. Viele Menschen neigen dazu, selbst wichtige Dinge an andere zu delegieren, von denen sie glauben, dass diese sich für sie einsetzen. Dabei ist es nicht so wichtig, ob diejenigen sich tatsächlich dann entsprechend engagieren, sondern nur ob man das Gefühl hat, sie würden es tun. Von den Anhängern der Populisten hört man oft genug "der kümmert sich noch um den kleinen Mann", "der nimmt uns noch ernst", "der weiß was wir wollen". Wie vermittelt man nun diesen Eindruck?

Zum einen, ganz enorm wichtig, durch Recht geben. Der Zuhörer des Populisten hat stets Recht, und er hat auch keine Schuld. Es ist verständlich, dass er so denkt, und unverständlich, wieso andere das nicht so sehen. Wir kommen also zu Regel drei:

3. Gib Deinen Zuhörern Recht. Entlaste sie von jeglicher Schuld, und gib ihnen das Gefühl, bei Dir gut aufgehoben zu sein.

Sehr wichtig für viele ist auch das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Sie brauchen die Gewissheit, dass ihr Leben einen Sinn hat, und diesen Sinn gibt man ihnen, indem man einen Gegner schafft, gegen den man sich behaupten kann. Regel vier lautet also:

4. Kreiere ein Feindbild, einen Sündenbock, einen Bösen. Lasse keinen Zweifel daran, dass Deine Zuhörer auf der Seite der Guten stehen, und zeige ihnen, dass sie dort gebraucht werden.

Wer handeln will, kann es nicht immer allen Recht machen. Der Populist aber stärkt seine Anhängerschaft damit, dass er ihnen keine Bürden auferlegt und stattdessen die Last vollkommen auf die Nicht-Anhänger verteilt. Aus der Tatsache, dass der Anhänger keine Schuld trägt, folgt, dass er auch nichts verändern muss. Ändern müssen sich die anderen. Deswegen predigt z.B. der linke Populist auch immer, dass die Bösen alle oben sitzen, im Management, in der Wirtschaft, in der Politik, während der rechte Populist die Bösen bei den Ausländern, den Arbeitslosen, den "Schmarotzern" wittert. Der religiöse Populist sieht die Gegner in fremdem (oder gar keinem) Glauben. Aber eines haben sie alle gemeinsam: Niemals muss der eigene Anhänger ebenfalls Konsequenzen tragen, niemals der "kleine Bürger". Damit lautet Regel fünf:

5.) Wenn Du die Macht hast, Dinge durchzusetzen, dann lass die anderen, die Nicht-Anhänger bluten. Hast Du die Macht nicht, dann versprich, die anderen bluten zu lassen.

Es gibt natürlich noch mehr Tricks und Kniffe (z.B. wie man Aufmerksamkeit auf das lenkt, was einem selbst wichtig ist, und von anderen Punkten ablenkt), aber das soll für eine Einführung erst einmal reichen. Widerlegen will ich damit vor allem zwei Thesen:

Erstens: Wir werden von der großen Weltverschwörung der Strippenzieher gelenkt. Und zweitens: Dass Menschen sich lenken lassen, liegt daran, dass sie dumm sind.

Gerade die zweite Annahme ist die beste Voraussetzung dafür, selbst manipuliert zu werden. Nicht mangelnde Intelligenz macht einen zum Opfer dafür, sondern Eitelkeit, Ignoranz, Selbstgefälligkeit, Bequemlichkeit und Trägheit. Da kaum einer von uns von diesen "Tugenden" frei ist, ist auch kaum einer immun gegen Manipulation. Aber mit Intelligenz hat das Ganze nicht im mindesten zu tun. Jeder von uns ist in der Lage, sich gegen Manipulation zu wehren. Die Erkenntnis, dass es ganz leicht ist, manipuliert zu werden, selbst (oder gerade) wenn man sich für zu schlau dafür hält, ist der erste, aber entscheidende Schritt.

Sehe ich das falsch? Habe ich etwas vergessen? Oder denke ich zu simpel? Kann man den Grad der Manipulation, den wir beobachten, nicht nur mit obiger Erklärung begründen?"

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Meint ihr, er hat recht? Werde mein Statement später editieren, das erstmal zum Beginn

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