Interview Serk

Dieses Thema im Forum "Musik & Musiker" wurde erstellt von -Amaro-, 9. Juni 2009 .

Schlagworte:
  1. 9. Juni 2009
    Soundtrack-Komponist für Orgi, Toursupport für Kanye, Seriendarsteller für Viva – Serk ist ein umtriebiger junger Mann. In Zeiten, in denen sich alles, was im Stande ist, ein Mic festzuhalten, zum MC berufen fühlt, tut es gut, zu sehen, dass es noch Leute wie den Berliner Endzwanziger gibt. Leute, die ihr Handwerk von der Pieke auf gelernt haben. Vom Big-Band-Pianisten bis hin zum Frontmann einer Punk-Formation hat Serk auf seiner musikalischen Laufbahn keine Hürde ausgelassen und wird dies wohl auch weiter nicht tun. Warum sie ihn am Ende des Tages aber doch immer wieder zum Rap führt, ist nur eine von vielen Fragen, zu denen er uns jüngst Rede und Antwort stand. Aber lest selbst...


    rappers.in: Kurz zum Aufwärmen: Was sind die wichtigsten drei Stationen deiner musikalischen Laufbahn gewesen, von denen man dich als Fan kennen sollte?

    Serk: Na, ich denke, ich hab' mit meinem ersten Album "Serkulation" einen für mich relativ wichtigen Punkt gesetzt. Danach hab' ich auf jeden Fall das erste Mal wirklich viel Feedback bekommen. Dann ganz klar von "Unser Block" und dem dazugehörigen Soundtrack-Clip "Kein Weg zu weit", der bei Viva auf Hot Rotation lief. Ich denke, wer mich kennt, wird auch diese Serie zumindest vom Namen her kennen und auch über das Video gestolpert sein. Übrigens kann man sich die ganzen Folgen bald alle auf Youtube reinfahren. Da ich mich auf drei Stationen beschränken soll, weiß ich nicht, ob ich Splash!, Kanye West-Support oder die Orgi Pörnchen sagen soll... Ihr könnt euch was aussuchen.

    rappers.in: Du hast zuallererst dein Solodebüt "Serkulation" genannt. Das war 2003. Hast du dich in deinen Augen seitdem stark weiterentwickelt? Wenn ja, in welche Richtung ging diese Entwicklung und was sind die Unterschiede zwischen deinen Liedern von damals und heute?

    Serk: Es wäre ja schon etwas traurig, wenn der Weg, den ich seit 2003 gegangen bin, keine Spuren hinterlassen hätte. "Serkulation" war ein Sammelsurium von allen möglichen Tracks. Ich bin seitdem konzeptioneller und überlegter geworden. Ich denke, ich hab' immer mehr angefangen, meine Gedanken besser zu kanalisieren. Ich mache auch heute noch viele Tracks im "Serkulationsstil". Aber ich hab' nicht mehr den Drang, diese "Hobbytracks" auch rauszubringen. Ich hab' mich ziemlich stark von Battletexten entfernt. Ab und zu kommt schon nochmal 'ne Keule, aber im Großen und Ganzen versuche ich mittlerweile, sinnvolle Musik zu machen. Ich hab' durch meine sozialen Projekte – Musikschule Neukölln und so weiter – mitbekommen, dass man durch gute Texte wirklich jemanden erreichen und Hilfestellung leisten kann. Das erfüllt mich mehr als ein gewonnenes Battle. Diese Entwicklung macht sich ganz deutlich, wenn ich die "Serkulation" zum Beispiel gegen das neue Album "Anti Strass" halte.

    rappers.in: Wo du es schon erwähnst: "Anti Strass" wurde einst lose für Mitte des Jahres angekündigt, allzu viele Details sind aber bis jetzt nicht durchgesickert. Steht der Termin denn noch?

    Serk: Ich hab' in die neue Scheibe wirklich viel Arbeit, Zeit und Herz gesteckt. Zu viel, um beim derzeitigen Stand der Verkaufszahlen aller Künstler das Album jetzt zu droppen und ein kleiner Stein in der brutal abgehenden Lawine zu sein. Diesmal soll alles so gut geplant und vorbereitet sein wie noch kein anderes Maintheme-Release. Von daher steht noch kein Datum, obwohl das Album aber schon zu achtundneunzig Prozent steht. Ich nehm' mir die Zeit, die ich brauche, um das ganze so rund zu machen, dass ich mir später nichts vorwerfen kann.

    rappers.in: Verstehe. Wenn es um deine Musik geht, scheinst du Entscheidungen ja sehr bewusst zu treffen. In einem Interview meintest du mal, dass du rappst und nicht singst, weil beim Rap ein größeres Augenmerk auf dem Text liegt. Siehst du das heute immer noch genau so? Ist das der einzige Grund für dich, ausgerechnet Rapmusik zu machen?

    Serk: Ich muss sagen, dass sich da meine Meinung etwas geändert hat. Ich schreibe viele Gesangstexte – für mich und andere. Man muss bei Gesangstexten viel mehr auf den Punkt kommen, weil man nicht so viel Zeit oder Raum für lange Erklärungen hat. Die Bilder, die man "malen" will, müssen hundertprozentig sitzen. Daraus ergibt sich aber auch, dass man eingeschränkter ist – oder ich mich zumindest eingeschränkter fühle. Da hast du schon mehr Freiheiten, wenn du einen Raptext schreibst. Außerdem finde ich, dass bei gerappten Tracks achtzig Prozent der Energie aus der Stimme kommt. Bei Gesangsliedern geht viel mehr über die Musik. Beides hat seinen Reiz aber anscheinend üben Rapsongs einen größeren Reiz auf mich aus, wenn ich mich an den Tisch setze und schreibe. Anders kann ich es mir auch nicht erklären, dass das neue Album wieder ein Rapalbum geworden ist. Anreiz für mich, meine Ausdrucksform so ernsthaft zu betreiben, ist wohl wirklich das Gefühl einer Art Therapie. Ich halte ein in Textform aufgeschriebenes Wort für ähnlich gesund wie ein ausgesprochenes. Man hat sich einfach Gedanken darüber gemacht, wie man etwas ausdrückt und somit fand eine Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken statt. Das halte ich für sehr gesund. Mir zumindest beschert ein guter Text ein gutes Gefühl, mit dem ich gut gelaunt durch mein Leben komme. Ich glaube, dass viele ihre Aggressionen durch aufgeschriebene Gedanken in den Griff bekommen könnten. Leute, schreibt!

    rappers.in: ... oder macht Beats? Dass du ja auch selbst produzierst, wirft für mich die Frage auf, ob es für dich angenehmer ist, wenn die Lieder, auf denen du rappst, von anderen produziert werden? Worin besteht der Unterschied dazu, wenn man alles selbst in die Hand nimmt?

    Serk: Einerseits hat man die komplette Kontrolle über das, was geschieht, andererseits hast du echt 'nen ***** voll Arbeit. Du bist für alles verantwortlich und kannst nichts auf niemanden abwälzen. (grinst) Ich würde gerne mal die Zügel aus der Hand geben und mich wirklich nur um die Texte kümmern. Also nicht mischen, keinen Beat machen – einfach mal NUR Rapper sein. Aber ich habe, ehrlich gesagt, noch nicht den Produzenten gefunden, dem ich in dem Umfang vertraue. Da kommt dann doch wieder der Kontrollfreak in mir durch.

    rappers.in: Stichwort Producer-Tätigkeit: Du bist als Produzent für die Orgi-Pörnchen in Erscheinung getreten. Wie bist du damals zu dieser Sache gekommen und inwiefern bist du da heute noch im Boot?

    Serk: Ich hab' Orgi übers Aufnehmen in meiner damaligen Wohnung in Tempelhof kennengelernt. Wir haben uns schnell angefreundet. Zu der Zeit hatte Orgi sich ein Studio zugelegt und suchte nach einem Tontechniker. Da ich meine Ausbildung gerade bestanden hatte, war sozusagen beiden Seiten geholfen. Ich übernahm den Studiokram und somit auch die Soundtracks. Mittlerweile habe ich meinen Job bei Orgi allerdings gekündigt, bin also gar nicht mehr im Boot. Wir verstehen uns immer noch gut, aber es hat einfach nicht mehr gepasst. Ich finde endlich wieder Zeit, mich meiner Musik zu widmen. Wir sind da ja doch relativ unterschiedlich aufgestellt.

    rappers.in: Ja, Meinungsverschiedenheiten gehören wohl einfach dazu. Wer war denn bisher der größte Kritiker deiner Kunst und wie gehst du persönlich mit Kritik um?

    Serk: Hmm... (überlegt) Der größte? kann ich nicht sagen. Einer der wichtigsten war auf jeden Fall Akte One. Akte ist einer der wenigen, die dir wirklich ehrlich sagen, was sie über deine Mucke denken. Akte hat mich dazu gebracht, meine Persönlichkeit in meine Texte zu schreiben. Dafür bin ich ihm extrem dankbar. Leider haben wir uns auch ein wenig aus den Augen verloren. Akte, wenn du das hier liest: Beste Grüße, Dicker! (grinst)

    rappers.in: Na, das will ich doch hoffen! Aber üb' doch selbst mal ein wenig Kritik: Wie denkst du, sollten sich Rapper in der Öffentlichkeit präsentieren, um HipHop auch in szenefremden Medien ein besseres Image zu verschaffen? Oder wird die Kultur ohnehin niemals die allgemeine Anerkanntheit bekommen, die sie verdient? Wenn ja: Wer oder was trägt daran in deinen Augen die Schuld?

    Serk: Die Frage ist doch: Will man, dass HipHop endgültig den Status der „uneingenommenen Bastion“ verliert? Einerseits regt man sich über die Verkommerzialisierung unserer Kultur auf, andererseits tut man alles, um den harten Untergrundrapper bei taff, Explosiv, Kerner oder Maischberger reinzubekommen und gut dazustehen. Ich weiß noch, dass ich damals angefangen habe, zu rappen, um mich gerade von dieser "allgemeinen Anerkanntheit" abzugrenzen. Damals warst du ein Spast, wenn du gerappt hast – zumindest in meinem Umfeld. Heute bist du ein Spast, wenn du nicht rappst oder ein Label gegründet hast. Ich glaube, diese Frage kann man so lange diskutieren, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, weil wir da, so blöd wie es klingt, vor einem kulturinternen Generationskonflikt stehen.

    rappers.in: Also hast du das Gefühl, du bist der Szene – oder, sagen wir, ihrem jüngeren Teil – ein Stück weit entwachsen? Fühlst du dich in Berlin denn noch als Insider?

    Serk: Ich glaub', ich bin kein Insider mehr. Seit ich bei Orgi weg bin, fahr' ich komplett meinen Film und kümmere mich relativ wenig darum, was die anderen machen. Mir geht es so besser. Ich ärger' mich nicht mehr soviel über alles. Ich genieße es momentan, mich nicht einordnen zu können.
     
  2. Video Script

    Videos zum Themenbereich

    * gefundene Videos auf YouTube, anhand der Überschrift.