Meine Interpretation zum Gedicht "Wenn im Vorsommer" von Nelly Sachs

Dieses Thema im Forum "Schule, Studium, Ausbildung" wurde erstellt von bemeh, 15. September 2009 .

  1. 15. September 2009
    Habe mir mal die Zeit genommen (natürlich auch als Übung für die anstehende LK-Klasur in Deutsch) eine Interpretation zu schreiben. Wäre super, wenn jemand mal drüberschauen und Kritik üben könnte.

    Das Gedicht ist folgendes:

    Wenn im Vorsommer der Mond geheime Zeichen aussendet,
    die Kelche der Lilien Dufthimmel verströmen,
    öffnet sich manches Ohr unter Grillengezirp
    dem Kreisen der Erde und der Sprache
    der entschränkten Geiste zu lauschen.

    In den Träumen aber fliegen die Fische in der Luft
    und ein Wald wurzelt sich im Zimmerfußboden fest.

    Aber mitten in der Verzauberung spricht eine Stimme klar und verwundert:
    Welt, wie kannst du deine Spiele weiter spielen
    und die Zeit betrügen –
    Welt, man hat die kleinen Kinder wie Schmetterlinge,
    flügelschlagend in die Flamme geworfen –

    und deine Erde ist nicht wie ein fauler Apfel
    in den schreckaufgejagten Abgrund geworfen worden –

    Und Sonne und Mond sind weiter spazierengegangen –
    zwei schieläugige Zeugen, die nichts gesehen haben.


    Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Wenn im Vorsommer“ von Nelly Sachs, welches (nach dem ersten Leseeindruck) vermutlich die Nachkriegsgesellschaft für das schnelle Vergessen der schrecklichen Ereignisse des zweiten Weltkrieges kritisiert.
    Das Gedicht besitzt zunächst kein Reimschema und kein regelmäßiges Metrum. Aufgrund der ansonsten regelmäßigen Struktur würde ich darauf schließen, dass die Strophen die Sinneinheiten darstellen.
    Ferner macht diese Gliederung den Eindruck, dass die Strophen à 4 Verse einen Sachverhalt schildern und die Strophen à 2 Verse sozusagen auf diesen Sachverhalt antworten. So entlarvt beispielsweise die zweite Strophe die in der ersten Strophe gezeichnete Idylle als Traumwelt.
    Andererseits stellt die vierte Strophe fest, dass die Erde kein „fauler Apfel“ geworden ist, obwohl man Derartiges aufgrund der in Strophe 3 beschriebenen Taten vermuten könnte.
    Die Letzte Strophe steht also als eine Art Zusammenfassung separat am Ende des Gedichts.
    Sie besagt, dass selbst Mond und Sonne vortäuschen nichts gesehen zu haben.

    In der ersten Strophe stellt das lyrische Ich eine Bedingung auf. Nur wenn die dargestellten Ereignisse zusammenkommen (im Vorsommer sendet der Mond geheime Zeichen; die Kelche der Lilien verströmen Dufthimmel), öffnen sich manche Ohren, um die dem Kreisen der Erde und der Sprache der entschränkten Geister zuzuhören.
    Hier wird eine Traumwelt dargestellt bzw eine Idylle wie man sie auf Goethegedichten kennt. In Anbetracht der damaligen Zeit könnte hiermit die Traumwelt der Nachkriegsgesellschaft gemeint sein, die sich jene erbaut hat, um vor der Realität zu flüchten. Die Realität scheint sie aber in ihrer Traumwelt wieder einzuholen, wie die Metapher „öffnet sich manches Ohr unter Grillengezirp“ zeigt. Grillengezirp symbolisiert in diesem Zusammenhang also die Traumwelt, die die Menschen vor unangenehmen Wahrheiten (Strophe 3) schützt bzw. diese übertönt. Mit den Metaphern „Kreisen der Erde“ und „entschränkten Geister“ ist vermutlich gemeint, dass die Menschen in die Realität zurückkehren sollen und die Vergangenheit aufarbeiten müssen. So ist der „entschränkte Geist“ ein Symbol für diese Vergangenheit, der man lauschen sollte und spielt damit gleichzeitig auf den Tod in den KZs an.
    Der Grund hierfür wird in der zweiten Strophe genannt. Zwei Paradoxen machen darauf aufmerksam, dass in einer Traumwelt alles möglich ist bzw. eine verkehrte Welt sein kann. Deswegen ist es ratsam der Stimme, die aus der „Verzauberung“ spricht, zuzuhören.
    Hier tritt ein weiterer Aspekt in den Vordergrund. Die Stimme fragt, wie die Welt ihre Spiele weiterspielen könne, obwohl schlimme Ereignisse geschehen seien. Es wird also die Frage gestellt, wie die Welt in gleicher Form weiterexistieren könne in anbetracht der grausamen Taten der Vergangenheit. An dieser Stelle wird der Bezug zur Nachkriegszeit besonders deutlich. Die Menschen wollten sich nicht mit der grausamen Vergangenheit auseinander setzen, und so schien es, dass auch nach den NS-Verbrechen die Welt wieder ihren gewohnten Lauf nahm. Auch bei dem Beispiel für die Grausamkeiten auf der Welt bleibt das Gedicht auf einer metaphorischen Ebene. Hier werden Kinder, wie Schmetterlinge flügelschlagend (also offensichtlich gegen ihren Willen, bzw. mitten aus dem Leben gerissen) in die Flammen geworfen. An dieser Stelle wird der Kontrast zwischen den Schmetterlingen, die allgemein für Harmonie und Schönheit stehen und den Flammen, die für Bedrohung und Tod stehen, besonders herausgestellt, um die Grausamkeiten, die sich etwa in den KZs abgespielt haben zu verdeutlichen. Somit wird im übertragenen Sinn die Zeit betrogen, wenn man sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzt. Die Personifizierung der Welt hat in diesem Zusammenhang eine Appellfunktion an die Menschen im Allgemeinen. Insbesondere dürfte aber die Kollektivschuld der Deutschen gemeint sein, da mit dem Bild der Schmetterlinge, die ins Feuer geworfen werden, wie bereits erwähnt, auf den KZ-Alltag angespielt wird.
    Nach diesen Verbrechen müsste man eigentlich vermuten, dass die Erde sich in einen faulen Apfel verwandelt oder in einen Abgrund geworfen wird, da die Taten schlichtweg zu grausam sind, um normal weiterleben zu können. Stattdessen täuschen Mond und Sonne vor nicht gesehen zu haben. Die Personifizierung von Mond und Sonne als Zeuge, die also im weiteren Sinn die Geschehnisse der Erde beobachten, vermittelt den Eindruck, dass die Geschehnisse auf der Erde allseits bekannt sind. Die Gräuel und das Elend sind kein Geheimnis mehr. Doch selbst die Sonne und der Mond als allseits gegenwärtige Zeugen und Mitwisser verschließen die Augen vor den Taten und Grausamkeiten. Somit verschließen auch die Menschen die Augen vor den NS-Verbrechen und geben vor nichts gesehen zu haben.

    Damit kritisiert das lyrische Ich die Verhaltenweisen der Nachkriegsgesellschaft für das Vergessen der NS-Verbrechen. Ferner wird kritisiert, dass die Vergangenheit nicht aufgearbeitet wird.
     
  2. 17. September 2009
    AW: Meine Interpretation zum Gedicht "Wenn im Vorsommer" von Nelly Sachs

    push
     
  3. 17. September 2009
    AW: Meine Interpretation zum Gedicht "Wenn im Vorsommer" von Nelly Sachs

    "Das Gedicht besitzt zunächst kein Reimschema und kein regelmäßiges Metrum. Aufgrund der ansonsten regelmäßigen Struktur würde ich darauf schließen, dass die Strophen die Sinneinheiten darstellen."

    - Den Satz am besten umformulieren. Ist ne Personifikation, ein Gedicht kann nichts besitzen (besser: beinhaltet). "würde ich darauf schließen" ist eine waage Formulierung. Tu so, als ob du dir sicher bist, auch wenn dus nicht bist.

    "sozusagen" rauslassen

    "Die Letzte Strophe steht also als eine Art Zusammenfassung separat am Ende des Gedichts.
    Sie besagt, dass selbst Mond und Sonne vortäuschen nichts gesehen zu haben."

    Wieder Personifikation. Strophen besagen nichts.


    ...usw.

    Was mir sonst spontan aufgefallen ist, dass du nach Zitaten nicht direkt den genauen Vers angibst. Sind Kleinigkeiten, aber geben häufig Punkteabzug.

    Der Schluss ist (meiner Meinung nach) etwas zu kurz geraten.

    - So was mir spontan aufgefallen ist, habs nur kurz überflogen, aber sind schon gute Ansätze auf jeden Fall drin. Viel Erfolg.
     
  4. 17. September 2009
    AW: Meine Interpretation zum Gedicht "Wenn im Vorsommer" von Nelly Sachs

    danke schonmal...werde in zukunft darauf achten das personifizieren der zu unterlassen

    btw: habe auf die zeilenangaben bei dieser übung nicht allzuviel wert gelegt ^^ ist denke ich verständlich

    aber trotzdem vielen dank für deinen kommentar..bw haste
     
  5. Video Script

    Videos zum Themenbereich

    * gefundene Videos auf YouTube, anhand der Überschrift.