Geplanter "Notruf-Knopf" fürs Internet in der Kritik

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von Melcos, 18. Oktober 2009 .

  1. 18. Oktober 2009
    Geplanter "Notruf-Knopf" fürs Internet in der Kritik


    Die Piratenpartei und ein Elternverband haben die Initiative des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisiert, eine virtuelle Notruf-Säule im Netz aufzubauen. Statt einen entsprechenden Meldeknopf in gängige Browser zu integrieren und im Hintergrund einen aufwendigen Verarbeitungsapparat zu schaffen, plädierte Simon Lange, Sprecher der Piraten und selbst Vater von vier Kindern, bei einer Diskussionsrunde in Berlin über "Sicherheit für Kinder im Internet" am heutigen Freitag für eine bessere Umsetzung bestehender Online-Polizeiwachen. Der Notrufmechanismus fördere Bagatellmeldungen, die geprüft werden müssten. Ferner seien Clearing-Stellen für die schnelle Informationsvermittlung mit hohem Aufwand zu besetzen. Für besser investiert hielt Lange die erforderlichen Gelder auch in Aufklärung und die Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen.

    André Kind, Vorsitzender des Vereins Eltern ans Netz, schätzte den zur Abarbeitung der Meldungen nötigen Aufwand ebenfalls als "hammerhart" ein: "Da müsste die Polizei lange nachsitzen." Als Grundproblem machte der Elternvertreter aus, dass 40 Prozent der Erziehungsberechtigten sich überhaupt nicht mit dem Thema Internet beschäftigten. Ferner investierten Staat und Wirtschaft zuwenig in die Vermittlung von Medienkompetenz. So sei im Rahmen des Projekts Internauten und Deutschland sicher im Netz zwar ein wunderschöner "Medienkoffer" erstellt worden. Nur zwei Bundesländer hätten die Finanzmittel für die Anschaffung dieser spielerischen Lernmittel aber freigegeben. Er forderte einen stärkeren "Schulterschluss" der Akteure, die kinderfreundliche Inhalte erstellen und für ihre Verbreitung sorgen müssten.

    Der Leiter des Projekts "web patrol" beim BDK, Roland Schulze, verteidigte den Notrufansatz. "Keiner kennt Online-Wachen", meinte der Ermittler. Dahinter verberge sich oft ein "reiner Formularschrank", nach dessen Nutzung "lange nichts passiert". Die Schaffung eines sicheren Internet sei dagegen "Teil der Aufgabe staatlicher Daseinsvorsorge". Um "Spam-Meldungen" herauszufiltern, habe man als Technikpartner ein Fraunhofer-Institut mit an Bord des Projekts, dessen Finanzierung aber noch einem "Verteilungskampf" unterliege. Generell wünschte sich Schulze, dass die Surfer mithilfe von Aktionen wie dem Notruf-Knopf einen "achten Sinn fürs Internet" entwickeln würden.

    "Verbindende Elemente" zwischen einzelnen Sicherheitsinitiativen vermisste Peter Sanner von der Karlsruher Firma kinkon, die eine Kinderschutz-Software mit direkten Steuermöglichkeiten für den Abruf einzelner Webseiten durch die Eltern entwickelt hat. Es müsse eine Mittelposition zwischen staatlicher Big-Brother-Kontrolle und Laisser-faire gefunden werden. Auch Thomas Kleineidam, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, sieht die Frage, wie weit sich der Staat in die Kontrolle des Internet einmischen soll, noch ungeklärt. Die beste Lösung wäre es, wenn Nutzer schon im Kindesalter lernten, "Inhalte kritisch zu hinterfragen".

    Die Erwartungen in Schulen zu hoch gesteckt, sah hingegen Norbert Gundacker, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Bildung (GEW). Kinder mit privaten Laptops und Zeit zum unbeaufsichtigten Surfen bezeichnete er "eher als Wohlstandsproblem". Viele Bildungseinrichtungen gerade in Großstädten wie Berlin hätten dagegen zunächst die Drogen- und Integrationsproblematik zu schultern. Teile der Lehrerschaft würden auch derzeit erst lernen, E-Mails zu schreiben. Gundacker sprach sich dafür aus, die Internetsicherheit "als zentrales Problem des Gesellschaft zu begreifen wie in den 70ern die Verkehrserziehung". Konzerne forderte er auf, mehr Gelder für entsprechende Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung zur Verfügung zu stellen.

    Ralf Sauerzapf von der Deutschen Telekom hielt dagegen, dass die Internetwirtschaft etwa über die Freiwillige Selbstkontrolle der Multimedia-Diensteanbieter (FSM) bereits Meldestellen eingerichtet habe. Seit 2003 biete T-Online eine nutzerautonome Filtersoftware an und habe ein eigenes Kinder- und Jugendportal entwickelt. Gemeinsam mit Microsoft habe man Web-Videos zu verschiedenen Themen der Internetsicherheit erstellt, für die der Konzern eigens Werbebanner schalte. Der Telekom-Sprecher räumte aber ein, dass die Clips trotzdem "besser geklickt werden könnten".

    Quelle: heise.de - 16.10.2009
     
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