Ausländer auf dem deutschen Arbeitsmarkt - Wenn Jobsuche zum Kulturschock wird

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von graci, 25. Februar 2010 .

  1. 25. Februar 2010
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 15. April 2017
    Bewerbung

    Sie sind hoch qualifiziert, voll Tatendrang – und nicht deutsch: Eine Russin, ein Spanier und ein Amerikaner erzählen von ihren Abenteuern auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
    Von Jana Ikun
    23.2.2010 - 08:24 Uhr

    © Justin Sullivan/Getty Images
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    Stellenanzeigen in einer Zeitung: Die Regeln der Jobbewerbung variieren von Land zu Land. Was bei Bewerbungen in den USA üblich ist, ist in Deutschland gänzlich unbekannt

    Irina Gerassimow, Russin*

    "In Russland habe ich nach einem gut bezahlten Job gesucht. Der Arbeitsplatz musste nicht unbedingt mit der Ausbildung zusammenpassen. So habe ich nach meinem Wirtschaftsstudium eine Tätigkeit als Sekretärin aufgenommen und machte Karriere im Vertrieb. In Russland wundert es niemanden, wenn Akademiker deutlich unter ihrem Bildungsniveau arbeiten. Hochschulbildung bedeutet in meinem Heimatland vor allem, dass jemand qualifiziert ist und sich in praktisch jede Aufgabe einarbeiten und diese gut erledigen kann.

    Als ich nach Deutschland kam, kannte ich die üblichen Bewerbungsverfahren hierzulande nicht. Mir war nicht klar, dass man sich besser nur auf Stellen bewirbt, für die man auch die formale Ausbildung mitbringt. Die Bewerbungsunterlagen müssen der Berufsbezeichnung entsprechen, sonst hat man in Deutschland wenig Chancen auf einen Job. Ich bewarb mich also auf verschiedene kaufmännische Stellenausschreibungen. Erfolgreich war ich leider nicht. Auch nicht als Empfangsdame oder Bürohilfskraft, denn mein Lebenslauf erschien den Arbeitgeber zu hoch qualifiziert. Also probierte ich es mit den Stellen, für die ich eigentlich qualifiziert bin. Doch auch hier kassierte ich Absagen. Gegen die Konkurrenz deutscher Universitätsabsolventen konnte ich mich trotz meiner Fremdsprachenkenntnisse nicht durchsetzen.

    Arbeitslos wurde ich dennoch nicht. Ich fand eine Stelle als eine Art 'universelle Büroangestellte' bei einer russischsprachigen Firma. Unter Russen in Deutschland herrschen noch halbwegs russische Regeln."

    Miguel Rosario, Spanier*

    "Meine deutsche Frau arbeitet als Angestellte in einem Ministerium. Noch vor dem Umzug nach Deutschland war ich fest entschlossen, mir möglichst schnell eine Stelle zu besorgen und mindestens die Hälfte zum Familienbudget beizutragen. Schließlich bin ich Ingenieur. Trotz aller Warnungen meiner Frau habe ich nicht erwartet, dass die Suche nach einer Arbeitsstelle in Deutschland so schwierig werden würde! Ich bewarb mich zunächst bei internationalen Firmen. Immerhin spreche ich Englisch fließend und ich dachte, bei einem internationalem Unternehmen seien meine damals noch mangelhaften Deutschkenntnisse kein Problem. Doch sie waren es. Es fehlten mir außerdem Arbeitszeugnisse, die die Unternehmen gerne sehen wollten. In Spanien spielen Arbeitszeugnisse aber keine so große Rolle bei der Stellensuche. Ehrlich gesagt, verstehe ich ihren Sinn bis jetzt nicht, sie sind ja alle wie Werbeprospekte geschrieben. In Spanien legen wir mehr Wert auf die Kontakte als auf die Zeugnisse. Das ist in Deutschland aber noch nicht so stark verbreitet. Meine Frau wollte zunächst auf keinen Fall ihre Beziehungen spielen lassen, damit ich einen Job fand – und mir fehlten in Deutschland die entsprechenden Businesskontakte.

    So waren die ersten Wochen in Deutschland für mich sehr deprimierend. Ich begann einen Deutschkurs und entschied mich, erst einmal eine Arbeit unter meinem Ausbildungsniveau anzunehmen – als Kurierfahrer. Diesen Job bekam ich übrigens über einen Bekannten. Mittlerweile bin ich seit sechs Jahren in Deutschland. Meine Deutschkenntnisse sind viel besser und ich habe ein eigenes Unternehmen gegründet. Das Geschäft läuft immer besser."

    David Carter, Amerikaner*

    "'No, I am not kidding, it's true': Dieser Satz stand in einem amerikanischen Artikel über das Bewerbungsverfahren in Deutschland. Der Autor hat seine Leser eindringlich darum gebeten, ihm zu glauben. Und als ich den Artikel las, hatte ich ein wenig Mühe, mir die deutschen Bewerbungssitten vorzustellen. Denn wie die Jobsuche in Deutschland abläuft, wirkt auf Amerikaner etwas seltsam. Ich kam nach Deutschland, weil ich eine Weile lang in Europa leben wollte. Ich wollte Lebens- und Auslandserfahrungen sammeln. Deutschland wählte ich, weil ich die Sprache spreche und weil ich mich für das Land und seine Kultur interessiere.

    Mein Studium in den USA hatte ich abgebrochen. Aber ich hoffte, dass ich eine Stelle bei einer Vertriebsfirma mit internationalen Beziehungen finden würde. Ich schrieb einen Haufen Bewerbungen und bekam nur Absagen. Nach etwa der 30. Absage, warf eine Freundin von mir einen Blick auf die Bewerbungsunterlagen. Ihr Urteil war vernichtend. Sie sagte, dass es so nicht ginge und ich mit diesen Unterlagen niemals einen Job in Deutschland finden würde.

    Denn meine Bewerbungen waren viel zu amerikanisch. In den USA ist es nicht üblich, sich mit einem Foto um einen Arbeitsplatz zu bewerben. Auch versenden wir keine persönlichen Daten und geben auch nicht unser Alter an. Ich hatte mir zwar für meine Bewerbungen ein Foto anfertigen lassen – aber das wirkte, anders als ich gedacht hatte, wohl nicht seriös genug. Ich hatte mich nämlich vor einem Bücherregal fotografiert. Meine Freundin erklärte mir, dass man in Deutschland den Unterlagen ein Portraitbild zufügen müsse, das von einem professionellen Fotografen gemacht wurde. Auch hatte ich offenbar meinen Lebenslauf zu kreativ gestaltet, er entsprach der amerikanischen Form und nicht der deutschen, chronologischen Ordnung. Auch mein Serienanschreiben, das für Jobs dieser Art in Amerika üblich ist, war falsch. Und natürlich war es auch falsch, nicht deutsche Kopien meiner englischsprachigen Unterlagen mit zu versenden. Ich hatte also eine Menge nachzubessern.

    Die Jobsuche in Deutschland erschien mir recht uneffizient. Ich bin dann in die Niederlande umgezogen, wo ich sehr viel schneller einen Job fand."

    (*Namen von der Redaktion geändert)

    Protokolle: Jana Ilkun
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    am coolsten fand ich den Ami. ah dann bin ich halt in die Niederlande gezogen :lol:
     
  2. 25. Februar 2010
    AW: Ausländer auf dem deutschen Arbeitsmarkt - Wenn Jobsuche zum Kulturschock wird

    Diese Bescheinigungswut in Deutschland ist sowieso das dümmste, was es gibt.
    Ich kenne mich z.B. im Sägewerk aus und gerade für kleinere Sägewerke wäre ich ein guter Mitarbeiter, weil ich Stapler fahren kann, seit 10 Jahren mit der Motorsäge arbeite, ich weiss wie man das Holz richtig zum Trocknen stapelt, wie man vorschriftsmäßig Bauholz zum Liefern aufbereitet, Holzsortierung weiss ich bescheid, ich kann Gattersägen einstellen, Paletten und Kisten bauen usw. Trotzdem würde mich keiner nehmen, weil ich keine Ausbildung zum Säger habe.
    Andererseits hab ich die Lizenz zum Bäume fällen, könnte also im Forst arbeiten (wird ja auch gemacht), habe aber nur wenige Bäume umgehauen und fühle mich deswegen dafür gar nicht qualifiziert, weil es einfach viel zu gefährlich für Laien ist. Aber sie stellen trotzdem solche Leute ein, die nur den Schein haben und denen passieren dann schwere Unfälle (Studentin meiner FH ist bei der Sturmholzaufarbeitung gestorben, die hatte nur den Schein und ein paar Semester Forstwirtschaftsstudium, aber so gut wie keine Praxis).
     
  3. 25. Februar 2010
    AW: Ausländer auf dem deutschen Arbeitsmarkt - Wenn Jobsuche zum Kulturschock wird

    Ich habe selbst schon Bewerbungen von indischen Austauschstudenten gelesen die hier studieren. Wow. Irgendwas zusammengeschrieben und ein Bild schräg aufgeklebt. Und die wundern sich dass sie niemand einstellt.
     
  4. 25. Februar 2010
    AW: Ausländer auf dem deutschen Arbeitsmarkt - Wenn Jobsuche zum Kulturschock wird

    Andere Länder, andere Fritten.

    Find ich jetzt nicht so tragisch...

    Spanien: Klar, in Spanien läufts über Kontakte. Jo, das ist der Cousin meiner Schwester.... ok.. eingestellt.

    Russland...jo, jeder kann alles.
    Russland war ja auch schon immer ein Garant für wirtschaftliche Effektivität.

    Ami: Yeah, hab mein Studium abgebrochen.. ach egal, geh ich nach Europa und mach da dick buisseness. Wat, die wollen mich gar nicht.. ach, egal, rüber nach Holland.. die ham wenigstens Coffee-Shops, wo mich alle cool finden weil ichn Ami bin und so lustig lache wenn ich an der Tüte gezogen habe.

    Natürlich, alles überspitzt dargestellt. Einfach ist es nicht, aber isset denn so schlimm in einer Bewerbung aufn Punkt zu kommen? Alle Fakten darzustellen und wenn es ok ist, dann kommste ne Runde weiter? Oder soll ich jetzt bei jedem eingereichten Wisch nun frohlocken?
     
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