Folgen des Aufschwungs - In China fehlen Arbeitskräfte

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von graci, 4. März 2010 .

Schlagworte:
  1. 4. März 2010
    wirtschaft

    Verliert Chinas Wachstum seine wichtigste Basis? Die Firmen suchen händeringend nach einfachen Arbeitern. Millionen Stellen wären zu besetzen.
    Von Kristin Kupfer
    3.3.2010 - 19:51 Uhr

    © China Photos/Getty Images
    Bild
    Ein chinesischer Stahlarbeiter in Shenyang, China

    Innerhalb eines Jahres hat sich die Welt von Wanderarbeiter Wang Chunqiao in Chinas südlicher Metropole Shenzhen ins Gegenteil verkehrt. "Im vergangenen Jahr bin ich aus Sorge, meinen Job zu verlieren, zum chinesischen Neujahrsfest nicht nach Hause gefahren", erzählt der 26-jährige. "In diesem Jahr sprechen mich die Personalrekrutierer auf der Straße an." Auf den Jobbörsen, auf denen die Firmen an kleinen Ständen über freie Stellen samt Gehalt und Extras informieren, sei kaum etwas los, berichtet der drahtige junge Mann aus der zentralchinesischen Provinz Hubei. "Die Medien berichten groß darüber, vielleicht kommen nun doch noch einige Stellensuchende", lacht Wang. "Die Firmen locken ja mit höheren Gehältern."

    In Chinas Industriehochburgen in den südlichen und östlichen Küstenregionen suchen die Unternehmen verzweifelt nach Arbeitskräften. An den Bahnhöfen warten Personalbeauftragte, gekleidet in "Willkommen"-T-Shirts, auf die aus ihrer ländlichen Heimat zurückkehrenden Wanderarbeiter. Sie werben nicht nur mit höheren Fixgehältern um die Arbeiter, sondern bieten dazu kostenlose Weiterbildungen und Geburtstagsgeld. Denn das Geschäft brummt: Offiziellen Angaben zufolge sind die Exporte im Dezember letzten Jahres nach 14-monatiger Talfahrt erstmals wieder kräftig gestiegen. Mit rund 130 Milliarden US-Dollar erreichte ihr Volumen das Niveau vom Beginn des Jahres 2008. Eine Folge davon: Allein im südchinesischen Perlflussdelta um die Stadt Guangdong fehlt es Chinas Medien zufolge an zwei Millionen Produktionskräften.

    Anders als bei Chinas erster "Arbeiterdürre" – so die Bezeichnung der chinesischen Presse – im Jahr 2004 mangelt es nicht nur an qualifizierten, sondern vor allen Dingen an einfachen Arbeitern. Die Branchen Textilindustrie, Schuhproduktion und Maschinenbau sind laut Angaben der lokalen Arbeitsstellen besonders betroffen. Reichen Chinas knapp 150 Millionen bäuerliche Migranten plötzlich nicht mehr aus, um die Nachfrage der Unternehmen zu decken?

    Offenbar müssen die Menschen nicht mehr in die boomenden Industriezentren ziehen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Gehälter in mittelgroßen Städten unweit seines Heimatdorfes sind im letzten Jahr um knapp zehn Prozent gestiegen, erzählt Wang. Ähnliches hört er auch von Bekannten aus anderen Regionen. "Dort sind die Lebenshaltungskosten niedriger als in den großen Metropolen", sagt der Wanderarbeiter, "und man ist näher bei den Eltern und wie bei mir dem eigenen Kind."

    Während der Wirtschaftskrise hat China durch Investitionen in Infrastrukturprojekte seit November 2008 zahlreiche neue Arbeitsplätze auch auf dem Land geschaffen. Auch die langjährige Strategie der ländlichen Industrialisierung – Ansiedlung von Unternehmen durch Steueranreize und Ausbau des Transportwesens – trägt mehr und mehr Früchte. "Unsere Generation ist auch besser ausgebildet als die älteren Wanderarbeiter", sagt Wang, der einen Oberschulabschluss hat, "wir wollen uns nicht mehr für nur 700 Yuan (umgerechnet 70 Euro) in der Fremde kaputt arbeiten."

    Er selbst hat vor acht Jahren als einfacher Fabrikarbeiter angefangen. Heute ist er Kundenvertreter bei einem Zeitungsverlag. "In ein oder zwei Jahren will ich in der Nähe meiner Eltern eine Stelle suchen", sagt der junge Familienvater, "dort kann ich mir dann eine Wohnung leisten, hier in Shenzhen ein Leben lang nicht."

    Wenn mehr und mehr Wanderarbeiter so denken wie Wang, dann geht dem chinesischen Wachstumsmodell bald der Dampf aus. Denn die Arbeitskosten werden weiter steigen: Für dieses Jahr haben fast alle größeren Städte Chinas, darunter auch Shenzhen und Guangdong angekündigt, den Mindestlohn um zehn Prozent zu heben. In den südchinesischen Städten Dongguan und Zhongshan sind die Reallöhne für einfache Arbeiter nach einem Bereicht der Zeitung Nanhuadushibao im Januar um 20 Prozent in die Höhe geschnellt.

    Doch damit nicht genug: Chinas Gesellschaft altert. Laut einem Bericht der chinesischen Akademie für Sozialforschung von 2009 wird der Anteil der arbeitenden Personen an der Gesamtbevölkerung ab 2013 deshalb abnehmen. Der Verfasser der Studie, Cai Fang, Chef des Instituts für Bevölkerung und Arbeitswirtschaft der Akademie, hatte bereits 2007 auf den drohenden Mangel an Wanderarbeitern hingewiesen. Er sagt auch, dass die damals angenommene Zahl von 150 Millionen Wanderarbeiter um zwei Drittel zu hoch angesetzt gewesen sei. Nur rund ein Drittel von ihnen sei unter 40 Jahren. "Unsere Entwicklung kann sich nicht mehr auf billige Arbeitskräfte verlassen", folgert auch das Webportal Sohu.com auf seiner aktuellen Sonderseite zum Thema.

    Han Jun, Chef der Forschungsabteilung für ländliche Wirtschaft am Forschungsinstitut für Entwicklung des Staatsrats, gewinnt dem auch gute Seiten ab. "Unsere Löhne waren zu niedrig und die Arbeitsbedingungen zu schlecht", sagt der Forscher, "das konnte nicht so weitergehen". Auch müsse man die Ein-Kind-Politik und die administrative Trennung von städtischem und ländlichem Wohnsitz überdenken.

    Die erzwungenen Anpassungen würden, glaubt der Forscher, der chinesischen Wirtschaftsstruktur gut tun. Schon jetzt stellten chinesische Fabriken immer hochwertigere Produkte her, und der Trend zu Qualitätsproduktion werde künftig noch intensiver. Dafür brauche es aber gut ausgebildete Arbeitskräfte, die entsprechend zu bezahlen seien.

    Zudem werden, erwartet Han, mehr und mehr Fabriken durch die die verbesserte Infrastruktur in Chinas Binnenregionen und die westlichen Regionen abwandern und dort Arbeitskräfte finden. Er glaubt nicht, dass die Volksrepublik durch die steigenden Arbeitskosten an Wettbewerbsfähigkeit verliert oder dass ausländische Unternehmen verstärkt das Land verlassen werden. China verfüge über einen beträchtlichen Vorsprung: "Die Kosten sind bei uns in der Tat oft schon doppelt so hoch wie in Südostasien", meint Han, "aber unser Vorsprung im Lieferkettenmanagement gibt uns noch 15 Jahre, um uns neu zu orientieren".
    Copyright: ZEIT ONLINE
    Adresse: http://www.zeit.de/wirtschaft/2010-03/china-arbeitskraeftemangel

    -----------------------------------------------------------------------------------------------------
    ein Beispiel aus der Globalisierung: vorher war China dritte Welt, die erste Welt kam, bringt Arbeitsplätze und erhöht den Lebensstandard. Nun sucht sich wohl die erste Welt ein anderes Land um dort zu investieren um auch dort den Menschen Arbeit zu geben.
    Bei zeit.de waren die Kommentare ganz lustig, da meinten paar, man könnte paar H4ler hinschicken, damit die endlich arbeiten, es werden ja niedrigqualifizierte Arbeiter gesucht :lol:
     
  2. 5. März 2010
    AW: Folgen des Aufschwungs - In China fehlen Arbeitskräfte

    geil. hätte ich nicht gedacht. am besten : "Die Branchen Textilindustrie, Schuhproduktion und Maschinenbau sind laut Angaben der lokalen Arbeitsstellen besonders betroffen" chinas königsdisziplin
     
  3. 9. März 2010
    AW: Folgen des Aufschwungs - In China fehlen Arbeitskräfte

    finds positiv, dass die industriellen einsehen, dass sich menschen nicht mehr in massen für einen lohn unter dem existenzminimum beschäftigen lassen wollen.
     
  4. 9. März 2010
    AW: Folgen des Aufschwungs - In China fehlen Arbeitskräfte

    Man wird genauso wie bei uns vor 60 Jahren Arbeitskräfte aus dem Ausland holen, sofern diese bei miesen Arbeitsbedingungen und schlechter Bezahlung arbeiten wollen.
     
  5. 9. März 2010
    AW: Folgen des Aufschwungs - In China fehlen Arbeitskräfte

    Um China herrum gibt es mehr als genug Länder, wo es auch sicherlich genug Menschen gibt die für eine vermeintlich bessere Zukunft ihre Heimat verlassen würden um in China zu arbeiten.

    Zudem sollte man bedenken das Chinas Bevölkerungszahl weiter explodieren wird und das Land mehr oder weniger noch vor einer Industrialisierung steht, da menschliche Arbeitskraft noch bedeutend billiger ist als irgendwelche Maschinen einzusetzen.

    Warten wir mal ab wie sich das noch entwickeln wird.
     
  6. 10. März 2010
    AW: Folgen des Aufschwungs - In China fehlen Arbeitskräfte

    Welches? Und das ohne Kentnisse in Mandarin?

    Chinas Bevölkerung wächst so gut wie gar nicht mehr und wird bald wohl auch schrumpfen. Das ist das Problem: China altert bevor es reich ist.
     
  7. 10. März 2010
    AW: Folgen des Aufschwungs - In China fehlen Arbeitskräfte

    Vietnam z.B., die Gastarbeiter in den 50er Jahren konnten übrigens auch kein Hochdeutsch.
     
  8. 10. März 2010
    AW: Folgen des Aufschwungs - In China fehlen Arbeitskräfte

    Das können die Ossis noch heute nicht.

    In Vietnam schreibt man lateinisch mit arabischen Ziffern. Das Thema Sprache und Schriftzeichen lähmt in China die Migration. Auch müssten die Löhne bei nicht-Muttersprachlern ordentlich unter denen von ethnischen Chinesen liegen...das ist nicht realistisch.
     
  9. 10. März 2010
    AW: Folgen des Aufschwungs - In China fehlen Arbeitskräfte

    Die Putzfrauen in unsrer Schule können auch kein Wort Deutsch und arbeiten sicherlich auch für einen geringeren Lohn als andere Gebäudereiningunskräfte.

    Wir reden hier nicht von Ingenieuren sondern von einfachen Tätigkeiten
     
  10. 10. März 2010
    AW: Folgen des Aufschwungs - In China fehlen Arbeitskräfte

    Solange China aufbaut, ist denen das egal, was die sprechen. ... Richtig. Erst, wenn die handwerklichen Berufe aussterben,wie bei uns, wird das zum Problem. Das dauert aber noch.
     
  11. Video Script

    Videos zum Themenbereich

    * gefundene Videos auf YouTube, anhand der Überschrift.