Kryonik - Der Traum vom ewigen Leben

Pigeon · 29. März 2010

Der Kampf gegen den Tod

Herr Saxer kann nicht warten. Nur noch 30, 40 Jahre vor sich, nimmt Michael Saxer seine Zukunft endlich selbst in die Hand: seine eigene Auferstehung dank Kryonik. Im Grunde, flüstert Saxer am Wirtshaustisch und beugt sich vor, gehe es beim Kampf um die Ewigkeit um Sekunden - um die ersten Sekunden nach dem Eintritt dessen, was gemeinhin als Tod bezeichnet werde. Kryos ist griechisch und heißt Eiskälte, Frost. Kryonik meint die Absicht, menschliches oder tierisches Gewebe, ganze Leichen oder Teile davon tiefen Temperaturen auszusetzen, unter minus 130 Grad Celsius, um sie vor dem Zerfall zu retten - und irgendwann, wenn die Medizin so weit sein wird, neu zu beleben.

Beim Kampf um die Ewigkeit zählen die ersten Sekunden, sagen Kryoniker: Tote müssen sofort in Eis gekühlt und mit Frostschutzmittel durchgespült werden. Hier ein Testfall (Foto von: Murray Ballard)
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Bildunterschrift: Beim Kampf um die Ewigkeit zählen die ersten Sekunden, sagen Kryoniker: Tote müssen sofort in Eis gekühlt und mit Frostschutzmittel durchgespült werden. Hier ein Testfall

"Was ist die Alternative?", fragt Saxer im Württemberger Hof, die Schweinshaxe zu 7,80 Euro. "Die Auslöschung für alle Zeiten!" Er legt die schlanken Hände aufs weiße Tischtuch und starrt in den Raum. Als Knabe schon, meist nachts im Bett, habe ihn der Gedanke geschreckt, eines Tages nicht mehr zu sein, einfach weg, tot, unwiederbringlich. Ist das so schlimm?

Michael Saxer, geboren am 6. Februar 1961, Pflanzensamenversandhändler, von Ananas bis Zimmerlinde, reißt die Augen auf: "Das Allerschlimmste überhaupt." Also gründete er, weil das Leben dem Ende zurast und der Fortschritt auf sich warten lässt, im Jahr 2004 das erste kryonische Institut Europas. Allerdings ist dieses vom gesetzlichen Verbot behindert, menschliche Leichen einzufrieren. Einzig Russland und die Vereinigten Staaten von Amerika gestatten eine solche Prozedur. Und also brachte es Herr Saxer bis jetzt nur auf zwei Katzen, die in Kaiserslautern ihrer Neubelebung harren, vierfach in Schutzhüllen geschlagen, eingelegt in flüssigem Stickstoff, minus 196 Grad Celsius. Stolz auf seine Premiere, setzte Saxer die frohe Botschaft ins Internet: Dies ist ein historischer Moment.

Herr Saxer, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Katzen je wieder schnurren? "So groß wie bei kryonisierten Menschen." Das heißt? "Zwischen einem und fünf Prozent, je nachdem, wie schnell und gründlich sie nach ihrem Tod erstversorgt wurden." Also gekühlt? "Unter anderem", sagt Herr Saxer und nippt an seiner Fanta.

Die Zeit der Kryoniker

Der erste Mensch, der, in der Hoffnung auf ein späteres Wunder, tiefgefroren wurde, war James Hiram Bedford, 20. April 1893 bis 12. Januar 1967, ein Psychologieprofessor aus Kalifornien, gestorben an Nierenkrebs. Den Tag seiner Konservierung haben Kryoniker zum Gedenktag ausgerufen, dem Bedford Day. Die eigentliche Lichtgestalt der Todesfeinde aber ist Robert Chester Wilson Ettinger, Physiker, heute 91 Jahre alt, der 1962 sein furchtloses Werk "The Prospect of Immortality" schrieb, "Die Aussicht auf Unsterblichkeit". 1976 gründete er in einem Vorort von Detroit das Cryonics Institute. Der erste Mensch, den Ettinger dort kopfüber in einen Stickstofftank steckte, war seine Mutter. Auch seine zwei Ehefrauen überdauern tiefgekühlt in dem Gebäude 24355 Sorrentino Court, neben 92 weiteren temporär Verblichenen, Patienten genannt, 64 Haustieren und 160 menschlichen Gewebeproben. Michael Saxer aus Rottenburg am Neckar muss, aufgrund der Gesetzeslage hier, mit den amerikanischen Vorreitern zusammenarbeiten. Sobald sein erstes kryonisches Dienstleistungsunternehmen Europas in Fahrt ist, will er die leblosen Patienten, behelfsmäßig gesichert durch eine schnelle Zellschutzlösung, in einem Leichensack voller Eis, eingeschweißt in einen Sarg aus Zink, raschestmöglich nach Detroitzum Cryonics Institute expedieren, auf dass ihnen dort die eigentliche Behandlung widerfahre, mit Aussicht auf das ewige Leben.

Denn Geschwindigkeit ist das beste Mittel gegen das zu frühe Ende. Je schneller und schonender ein Verstorbener in die Kälte kommt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit seiner Wiedergeburt. Saxer - und das macht ihn schlaflos in mancher Nacht - hat es durchgerechnet: Ein Patient, vom deutschen Sterbebett bis zum Stickstofftank in Amerika, reist durchschnittlich fünf Tage, eisgekühlt, knapp über null Grad. Der Zerfall, sagt Herr Saxer, blaues Hemd, blaue Augen, reduziere sich dann zwar auf ein Zwanzigstel des Üblichen, doch fünf Tage seien 120 Stunden, und ein Zwanzigstel davon wiederum seien sechs - also wie sechs Stunden bei Zimmertemperatur, furchtbar, die Schäden im Hirn extrem.

"Jetzt muss etwas geschehen in Deutschland", sagt Saxer und klopft auf den Tisch im Württemberger Hof. "Wenn es einen Gott gibt, dann will der doch, dass wir leben und nicht sterben. Und zwar ewig auf der Erde und nicht im Himmel", sagt Saxer. Und deshalb plant er bereits das Angebot einer Kryonisierung nach allen Regeln der Kunst: 119 000 Euro teuer, all inclusive, also Blutverdünner vor dem Ableben, etwas Vitamin E gegen die Oxidation, liebevolle Betreuung während der letzten Tage in einem Hospiz in Rottenburg oder Umgebung, und dann, sobald ein Arzt den vorläufigen Tod festgestellt hat, die Kühlung des Patienten und der Ersatz des Blutes durch ein Frostschutzmittel, versetzt mit 30 Zutaten zur Pflege der Zellen, die sogenannte Vitrifikation. Schließlich die Absenkung in den Tank, kopfüber, für ein paar Jahrhunderte. Doch zuvor, Herr Saxer gesteht es verschämt, sucht er noch Investoren.

"Jetzt kommt die Zeit der Kryoniker!", so macht er sich und der Welt im Internet Mut. "Der Mensch nimmt seine Evolution selbst in die Hand. So wie er den Kariesbakterien die Daseinsberechtigung abspricht, so findet er Mittel und Wege, seinesgleichen am Leben zu erhalten", schreibt Michael Saxer. Warum aber stecken Ihre Toten kopfüber im Tank? "Damit, wenn irgendwann doch etwas Stickstoff entwiche, zuerst die Füße leiden, nicht das Hirn." Er schaut auf die Uhr, die Zeit drängt, er winkt der Kellnerin, das Glas noch halb voll.

Natur als Vorbild

Saxers Tochter ist jetzt sechs Jahre alt, und manchmal stellt sie große Fragen. Dann lächelt der Vater und sagt: "Wir brauchen nicht zu sterben, Kleines. Wir machen ja Kryonik." Das beste Beispiel für deren Wirksamkeit ist den Kryonikern der Kälteschlaf gewisser Tiere. Einige Fisch-, Frosch- und Insektenarten überstehen in den eisigen Regionen dieser Erde selbst strengste Winter, manchmal Temperaturen von mehr als 60 Grad. Auch das geschieht nicht ohne physische Vorbereitung.

Um Eiskristalle zu verhindern, welche die Zellen beim Gefriervorgang beschädigen oder zerstören könnten, reichern diese Tiere ihren Organismus mit einem körpereigenen Stoff an, ohne den eine Kryokonservierung nicht möglich ist: Gefrierschutzmittel. Und sie tun dies in richtiger Dosierung. Doch nicht nur das ideale Maß sichert das Überleben im Eis, sondern auch die richtige Geschwindigkeit bei der Abkühlung. Geschieht diese nämlich zu schnell oder zur Unzeit, wird in den Zellen das Wasser zu Eis, sie dehydrieren, sterben ab.

Im Warteraum: Flüssiger Stickstoff hält die Tanks konstant auf minus 196 Grad (Foto von: Murray Ballard)
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Bildunterschrift: Im Warteraum: Flüssiger Stickstoff hält die Tanks konstant auf minus 196 Grad
Noch immer Science Fiction

Das lässt sich verhindern. Seit Jahrzehnten bedient sich die moderne Naturwissenschaft der Möglichkeit, Stammzellen, Eizellen, Spermien und Embryonen einzufrieren, sie in sogenannten Kryobanken zu lagern und aufzutauen bei Bedarf. Doch das größte Lebewesen, das bisher erfolgreich kryokonserviert wurde, zählt nur etwa 30 000 Zellen: das anspruchslose Bärtierchen aus der Unterabteilung Bilateria, ein Moosbewohner, achtbeinig, kürzer als ein Millimeter.

Der Mensch bringt es auf rund 100 Billionen Zellen. Sie sind der Grundstoff für Dutzende verschiedene Gewebe, jedes von anderer Dichte und mit unterschiedlicher Reaktion auf eine Änderung der Temperatur. Dass in Zukunft Tote in ihrer Gänze schadlos kryonisiert und schließlich wiederbelebt, geheilt und zuletzt sogar verjüngt werden können, das hält die Mehrheit der Mediziner- Zunft noch immer für Science-Fiction.

Frostschutzmittel ersetzt Blut

"Weil sie Angst haben", knurrt Klaus Sames, Professor, ehemaliger Dozent und Forscher am Anatomischen Institut im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Spezialfach experimentelle Gerontologie, Experte in Sachen Knorpel. "Wer sich nicht auf ein Experiment einlässt, verdient den Namen Wissenschaftler nicht", sagt Sames aus der Mitte seiner Bücher, Biochemie, Physiologie, Pathologie, Histologie. Das Haarlang und weiß, den Bart gepflegt, sitzt er in seinem Arbeitszimmer auf einem schmalen hölzernen Stuhl, das eine Bein über dem anderen. Hinter ihm, sorgsam ins Regal gereiht, liegen menschliche Schädel, Wirbel von Höhlenbär, Hirsch, Hund, Wolf, Schmetterlinge unter Glas, zwei ausgestopfte Vögel.

Vor einem Jahr erst ist der Professor hierher gezogen, nach Senden an der Iller, Süddeutschland, um näher bei den Bergen zu sein, die er liebt seit frühen Tagen. Doch zu einer Wanderung, leider, hat die Zeit noch nicht gereicht, zu sehr ist Professor Sames, nun 70 und dem Sterben zu nahe, mit den Dingen der Kryonik beschäftigt, täglich zehn Stunden. 2006 rief er die Deutsche Gesellschaft für Angewandte Biostase ins Leben, einen gemeinnützigen Verein zur Förderung von Maßnahmen wider die Verwesung. Zuerst war er Präsident, nun ist er Trainer einer Truppe, die sofort ausrückt, wenn es kryonisch zu handeln gilt, einer Art Selbsthilfegruppe in Sachen ewiges Leben, 40 deutsche Gefrierwillige, die einander bestmöglich über den Atlantik helfen wollen, solange das noch nötig ist. Klaus Sames fährt sich übers müde Gesicht.

"In Tat und Wahrheit liegt zu vieles im Argen", stöhnt er, "das einzige Gerät, das wir haben, ist ein Gefäß, halbwegs geeignet für eine Perfusion." Eine Perfusion? "Der Ersatz des Blutes durch ein Frostschutzmittel."

Überwachung der (fast) Toten

Täglich sitzt Sames am Telefon oder am Computer und sucht die Welt nach Mitteln ab, um den, dem die Stunde schlägt, möglichst schnell zu orten. Besonders dienlich wäre, denkt der Professor, ein Gerät, das man sich auf den Körper schnallte, selbst im Schlaf, und das die wichtigsten Funktionen unentwegt mäße, Puls, Atmung, Blutdruck, und die Daten an einen Rechner verschickte, der schließlich, wenn eine der Funktionen aussetzte, Alarm schlüge und die Helfer per GPS an die richtige Stelle führte.

Doch zu einem bezahlbaren Preis ist solches Equipment nicht zu haben, Dutzende Kataloge hat Klaus Sames schon gelesen, Hunderte von Telefonaten geführt. Und so bleibt den 40 deutschen Kryonikern nur übrig, ihre Handynummern auf eine Liste zu setzen, A ruft B an, wenn das ewige Leben auf dem Spiel steht, B ruft C an.

Den Winterschlaf treten Kryoniker kopfunter an. Entweicht Kälte nach oben, bleibt so das Gehirn zunächst noch geschützt (Foto von: Murray Ballard)
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Bildunterschrift: Den Winterschlaf treten Kryoniker kopfunter an. Entweicht Kälte nach oben, bleibt so das Gehirn zunächst noch geschützt
Ein zu kleines Zeitfenster

Kryoniker sei er erst geworden, sagt Sames und gießt Kaffee nach, als er, wissenschaftlich geprüft und ziemlich entgeistert, habe feststellen müssen, dass das Altern sich in absehbarer Zeit nicht nachhaltig beeinflussen lasse. "Man sitzt in einem Zeitfenster, schaut kurz hinaus ins Leben, und sofort ist man tot. Mir ist das zu wenig." Herr Professor, aber wie kehrt das Leben in einen Toten zurück? Klaus Sames lächelt fein. Er betrachte, sagt er, die Kryonik als Notlösung, als den Versuch, die Spanne zu überbrücken, bis die Wissenschaft so fortgeschritten sei, die Schwierigkeit der Reanimation zu lösen. Wann wird das sein? "In 200 Jahren, in 300."

Mit Ultraschall vielleicht oder mit elektromagnetischen Methoden werde man einen Patienten erwärmen, mit Stammzellen seinen Körper regenerieren. Kleinste intelligente Roboter, kaum größer als ein Molekül, nanotechnisch hergestellt, würden durch die Blutbahnen und durchs Gewebe streifen, reparieren, was zu reparieren sei, gesteuert von einem externen Großcomputer, der sämtliche Moleküle des Körpers als Programm gespeichert habe. "Das wird sicher möglich sein", sagt Klaus Sames in seinem kleinen Büro im ersten Stock des Hauses, wo keiner ihn näher kennt. Vor 15 Jahren, um Nägel mit Köpfen zu machen, unterschrieb er einen Vertrag mit dem Cryonics Institute bei Detroit, 80 000 Deutsche Mark gab der Professor damals aus und bestellte auch gleich einen kundigen Bestatter, F. A. Albin & Sons, London, der ihn, wenn es so weit ist, sachgerecht und schonend nach Michigan überführt.

Das Cryonics Institute wird dann, wie es dies immer tut, auch von Professor Sames einen Patientenbericht ins Internet setzen, so wie den von Patient Nummer 71, einem Mann aus Nevada, 84-jährig verstorben. Der hatte sich, um die Zukunft besser zu bestehen, vor seinem Tod den Blutverdünner Heparin einverleibt und andere Behelfe, auchhatte er verlangt, dass sein Kopf, sobald die Todeserklärung vom Arzt unterschrieben sei, in Eis geschlagen werde - ein mustergültiges Vorgehen. Ganz anders als bei Patient 76, Paraplegiker, 44 Jahre alt, der tot in seinem Rollstuhl saß, dann obduziert und dem Institut schließlich in recht unbefriedigendem Zustand angeliefert wurde, sein Hirn, in Teile zerschnitten, fanden die Tieffrierer im Bauchraum der Leiche.

Angst, die Welt nicht zu verstehen, wenn er in 200 Jahren erwache, habe er übrigens keine, sagt Klaus Sames. Im Gegenteil, er freue sich auf die Verwandten, die jetzt noch nicht lebten. Aber wohin, Herr Professor, mit all den Menschen, wenn in Zukunft niemand mehr sterben will? - "Um es flapsig zu sagen: Die Kryonik ist das beste Mittel, um die Bevölkerungsdichte zu steuern. Man kann, wenn das mal zur Routine geworden ist, den Überschuss einfach wegfrieren und dann warten, bis der Mars besiedelt ist, und die schließlich hochschießen." Der Professor reicht Gebäck.

"Gott ist Unsinn"

Der Wunsch nach ewigem Leben ist wohl so alt wie die Menschheit. Er meint die Vorstellung, ein Lebewesen müsse nie sterben, seine Zeit sei unendlich, irgendwie, irgendwo, in einem Himmel oder Paradies, in der Hölle oder als Wiedergeburt. Kunst und Kultur, seit es sie gibt, befassen sich mit diesem Menschheitsthema, alle großen Religionen vertrösten auf ein Leben nach der Biologie, als Seele oder Geist, für alle Ewigkeit.

"Was völliger Quatsch ist", klagt Torsten Nahm an seinem kleinen, hellen Wohnzimmertisch, Vitaminpräparate darauf und Gelée royale. Zwei Computer stehen im Raum, ein großes Fernsehgerät, Meeresmuscheln auf der Fensterbank, dahinter ein Park, Platanen im Sommerlaub, spielende Kinder in Frankfurt am Main, Stadtteil Bornheim. "Gott ist Unsinn, der Tod eine Anmaßung." Herr Nahm ist jung und rank, 32, aufgewachsen in der Schweiz, in Deutschland und in den USA, Mathematiker von Beruf. "Error estimation and index refinement for dimension-adaptive sparsegrid quadrature with applications to the computation of path integrals", das war das Thema seiner Diplomarbeit, Institut für Numerische Simulation, Universität Bonn. Nun ist er Risikomanager bei der Commerzbank, ledig. Kryoniker, Herr Nahm, pfuschen doch der Natur ins Handwerk! Nahm lacht.

Die Menschheit, holt er aus, pfusche der Natur seit 100 000 Jahren ins Handwerk, die Natur sei, was der Mensch aus ihr mache. "Und man kann es noch anders sehen: Kryoniker helfen der Natur auf die Sprünge." Wie denn? "Indem wir Menschen, derzeit fast sieben Milliarden Exemplare, uns beibringen, einen Winterschlaf zu halten. Wie viel Energie könnte so gespart werden, wie viele Nahrungsmittel, wie viel Platz gewonnen!"

Das Schlimmste ist der Tod

Unfassbares trieb Torsten Nahm schon früh um. Mit sechs fragte er sich, was wohl in 100 Jahren sei und jenseits der Milchstraße. Zum Kryoniker machte ihn die Angst, in einem einzigen Leben keine Antwort zu finden auf all seine Fragen und Gespinste, Mathematik, Wahrscheinlichkeit, Physik, Astronomie, Anfang und Ende der Welten.

Blumen vor dem eisigen Grab. Doch Angehörige schauen nur selten vorbei (Foto von: Murray Ballard)
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Bildunterschrift: Blumen vor dem eisigen Grab. Doch Angehörige schauen nur selten vorbei

"Kryonisiert zu werden ist die zweitschlimmste Sache, die einem widerfahren kann", sagt Torsten Nahm. "Die Schlimmste ist der ewige Tod." Damit ihm dies nicht passiert, verschrieb er sich im Jahr 2006 der "Alcor Life Extension Foundation“ in Scottsdale, Arizona, wo schon James Hiram Bedford, die älteste Kunsteisleiche überhaupt, in Edelstahl hängt, genau wie auch Ted Williams, die Baseball-Legende, 30. August 1918 bis 5. Juli 2002. Ein 50 Seiten langes Vertragswerk hat Nahm mit den Amerikanern ausgehandelt, zwei Zeugen, zum Notar bestellt, bescheinigten ihm geistige Zurechnungsfähigkeit. Seither überweist er alljährlich 400 Dollar nach Arizona, den Mitgliedsbeitrag, und 230 Euro seinem Risikolebensversicherer, beflügelt vom Wissen, dass der den Eismännern 100 000 Euro schickt, sobald Nahm ausgehaucht hat: die Behandlungskosten für ein weiteres Leben.

Im Gegenzug wird die Firma Alcor ihr Mögliches tun, um Nahm die gewünschte Kryonisation zu verabreichen, eine sogenannte Neurokryonisation, die nur Herrn Nahms Kopf umfasst und alles andere der Verwesung überlässt. "Was ich bin, ist mein Hirn", sagt Torsten Nahm und spreizt seine Finger, "und aus Stammzellen wird man mir - hoffentlich - einen neuen Körper bauen." Außerdem, schiebt er nach, wäre eine Ganzkörperbehandlung noch viel teurer.

Die Ethik hält nicht mit der Kryonik mit

Fachleute der Alcor Life Extension Foundation, 7895 East Acoma Drive in Scottsdale, werden Nahm zunächst zwei kleine Löcher in den Schädel bohren, links, rechts, um die Wirkung des Frostschutzmittels auf sein Hirn zu messen. Dann werden sie das, was von ihm noch ist, mit gasförmigem Stickstoff auf minus 130 Grad Celsius herunterkühlen, schnell und schonend, damit nur wenige Eiskristalle entstehen. Ab minus 130 Grad Celsius finden in Kohlenstoffverbindungen, also Menschen, keine chemischen Reaktionen mehr statt. Schließlich, im Laufe der folgenden fünf Tage, werden sie das Haupt bei minus 196 Grad einfrieren, es in ein Behältnis legen, dieses mit flüssigem Stickstoff füllen und so lange bewachen, bis Zukunft ist.

Herr Nahm, müsste denn ein Kryoniker nicht möglichst früh und unbeschädigt aus dem Leben scheiden, vielleicht sogar freiwillig, um dann möglichst unbeschädigt zu erwachen? Torsten Nahm legt die schmale Brille ab, schaut hinaus in den Park. "Jetzt wird’s schwierig", sagt er und denkt nach. "Aus kryonischer Sicht wäre das die beste Lösung. Aber so weit ist die Ethik der Menschen noch nicht." Und wenn, Herr Nahm, Sie drüben doch ein Paradies erwartet? "Dann wäre ich am ***** - Paradiese sind langweilig." Torsten Nahm, freundlich und vornehm, steht auf und holt neuen Kaffee, geht vorbei am zerwühlten Bett, darin ein Kuschelbär, alt und zottelig.

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(Quelle: GEO)

Was meint ihr dazu, nur Geldmache oder echte Chance?

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Tiller · 30. März 2010

AW: Kryonik - Der Traum vom ewigen Leben

Interessantes Thema, aber ich hätte nicht gedacht, dass sich Leute wirklich heute schon Gedanken darum machen, in einer fernen Zukunft aufzuwachen.
Beim heutigen Stand der Technik kann es sich doch nur um Geldmache handeln- niemand garantiert den "Konsumenten" der Kryonik, dass sie je wieder aufwachen, alles hängt von der Entwicklung der Wissenschaft ab.
Stattdessen machen sie ein Versprechen, das sie nicht halten können: "Ihr werdet ewig weiterleben!"
Mit dem selben Versprechen gehen nunmal auch alle Religionen schon immer auf Bauernfang- und in beiden Fällen klappt das wunderbar.

Und mal ehrlich: Selbst wenn Kryonik eines Tages funktionieren sollte, würde man in dem Alter aufwachen, mit dem man gestorben ist. Und bevor ich in der Zukunft als 90-Jähriger herumvegetiere, sterbe ich doch lieber in Würde.

dernick · 30. März 2010

AW: Kryonik - Der Traum vom ewigen Leben

technisch gesehen sind wir noch nicht soweit.
wenn es aber soweit sein wird, wird sich damit viel geld verdienen lassen, einfach weil die meisten leute sich lenken lassen und nicht wissen was es bedeutet ewig zu leben.
ich will mir dies garnicht vorstellen.

vielleicht 300-400 jahre alt werden, dafür aber so, dass ich mit 250 noch aussehe wie mit 35-40 und dann schluss. das leben ist zwar kurz, aber grausam wenn es ewig währe.

DoMar · 30. März 2010

AW: Kryonik - Der Traum vom ewigen Leben

Sicher kann man damit heute schon ne menge Geld machen,aber erst wenn die Garantie besteht,dass man wieder lebend aufwacht wird es zum Kassenschlager.Aber um ganz ehrlich zu sein,was bringt einem das ewige Leben?Das Leben würde mit der Zeit langweilig werden und wenn man in der Zukunft aufgetaut wird,sind doch alle Freunde und Bekannte die man hat schon längst tot?(

TheFrozen · 30. März 2010

AW: Kryonik - Der Traum vom ewigen Leben

wenn ich todkrank wäre ,wuerde ich es in erwägung ziehen eingefroren zu werden.
zusammen mit aktien von microsoft wuerde ich dann einen zeitpunkt in 50 jahren wählen.
das ewige leben verspricht dieser vorgang ja nicht..die lebensbatterie hält nur ein leben und davon hab ich was "auf eis gelegt".demzufolge wuerde ich nur ein blick in eine zukunft werfen die ich so nie erreicht hätte.
mir fällt grade ein..eine reise in eine benachbarte galaxie wäre dann ja auch fuer die menschheit machbar, anders könnten wir solche distanzen nie überwinden...mann kann licht "tunneln" und eine mehrfache lichtgeschwindigkeit erzielen ,aber ob das lebende materie auch überlebt ist fraglich...

DocWeb · 14. April 2010

AW: Kryonik - Der Traum vom ewigen Leben

Also bis einem das Leben langweilig wird vergehen glaub ich schon ein paar Jahr(hunderte). Und wieso soll man drauf verzichten zu leben bis es langweilig wird?
Dann kannst du ja immer noch in Ruhe sterben mit dem guten Gewissen "Jetzt hab ich wirklich alles gesehen"
Und Freunde findest Du sicher immer wieder welche. Hat ja bis jetzt auch geklappt. Dauert nicht lange dann wird ein Verein der Wiederaufgetauten gegründet...

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