Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

Nice4ever · 8. April 2010

Die deutsche Mittelschicht stellt die meisten Wähler, verliert aber immer mehr politischen Einfluss. Schuld ist das Bürgertum selbst: Es grenzt sich von den Armen ab, wähnt sich an der Seite der Vermögenden - und stärkt damit genau jene, die sich auf seine Kosten bereichern.

Die Mittelschicht ist frustriert. In allen Umfragen beklagen die Deutschen, dass die soziale Gerechtigkeit abnimmt. Dieser Pessimismus ist berechtigt: Die Reichen werden reicher, während die Zahl der Armen steigt - und die Mittelschicht verliert nicht nur in der Krise, sondern selbst im Boom.

Warum aber schrumpft die Mittelschicht? Oft wird vermutet, der Staat sei schuld, der die Mittelschicht durch Steuern und Sozialabgaben ausplündere. Völlig falsch ist diese Beobachtung nicht. Tatsächlich haben die jüngsten Steuerreformen vor allem die Spitzenverdiener begünstigt, während die Mittelschicht damit allein gelassen wird, die wachsende Zahl der Armen zu finanzieren.

Trotzdem bleibt es seltsam, ausgerechnet die Mittelschicht als Opfer des Staates zu bedauern. Denn die Mittelschicht stellt noch immer die weitaus meisten Wahlberechtigten. Auch die Politik weiß, dass Wahlen nur mit der Mittelschicht zu gewinnen sind, weswegen alle etablierten Parteien auf die "Mitte" zielen. Die FDP etwa warb im vergangenen Bundestagswahlkampf mit dem Slogan "Die Mitte stärken".

Die Mittelschicht kann also nicht nur Opfer, sondern muss auch Täter sein. Wenn sie absteigt, dann nur, weil sie an diesem Abstieg mitwirkt. Sie selbst ist es, die für eine Steuer- und Sozialpolitik stimmt, die ihren Interessen völlig entgegengesetzt ist.

Die Kosten dieses Selbstbetrugs sind enorm. Während die Spitzenverdiener immer weniger belastet werden, verliert die Mittelschicht rapide. Schon jetzt müssen normale Arbeitnehmer bis zu 53 Prozent ihrer Arbeitskosten als Steuern und Sozialabgaben abführen - während umgekehrt Millionäre ihre Einkünfte nur mit durchschnittlich 34 Prozent versteuern.

Begütert ist die Mittelschicht nicht

Aber warum stimmt die Mittelschicht gegen ihre eigenen Interessen? Manche argwöhnen, dass Medien und Lobbyisten die Bürger gezielt verwirren, bis diese hörig den Eliten folgen. Ein Irrglaube. Zwar ist der Einfluss von Journalisten und Verbänden enorm - aber grenzenlos ist er nicht. Zeitungen müssen gekauft, Sendungen gesehen und Lobby-Botschaften müssen erst einmal geglaubt werden.

Auch Lobbyisten sind nur deshalb erfolgreich, weil sie auf das Selbstbild der Mittelschicht zielen. Sie sprechen deren Träume und Hoffnungen an, bedienen deren Ängste und Vorurteile. Wenn Lobbyisten Privilegien für die Reichen durchbringen wollen, dann müssen sie der Mittelschicht das Gefühl geben, dass diese ebenfalls zur Elite gehört.

Auf den ersten Blick mag es erstaunen, dass die Mittelschicht überhaupt auf die Idee verfallen konnte, sich in der Nähe der Elite zu glauben. Denn begütert ist die Mittelschicht nicht:

* Zur Mittelschicht zählt, wer als Single zwischen 1000 und 2200 Euro netto im Monat hat.
* Bei einem Ehepaar mit zwei kleinen Kindern sind es zwischen 2100 und 4600 Euro netto. Darunter beginnt die Unterschicht, darüber schon die Oberschicht.

Die obersten zehn Prozent besitzen 61 Prozent des Volksvermögens

Doch die Mittelschicht nimmt nicht wahr, wie groß der Abstand zu den Vermögenden tatsächlich ist. Der Glaube an den eigenen Aufstieg ist ungebrochen, wie auch der Boom der Privatschulen zeigt. Im Kampf um die eigene Karriere entgeht der Mittelschicht, wie unerreichbar die Eliten sind, die ihren Status nicht etwa durch Leistung erwerben, sondern von Generation zu Generation vererben: Die obersten zehn Prozent besitzen bereits 61 Prozent des gesamten Volksvermögens und kassieren 36 Prozent aller Einkünfte.

Der Selbstbetrug wird der Mittelschicht leicht gemacht. Die Reichen verschleiern ihren Wohlstand derart gekonnt, dass völlig unklar ist, wie reich sie wirklich sind. Fest steht nur, dass Billionen aus der Statistik verschwinden. Der Grund: Das Statistische Bundesamt erfasst keine Einkommen über 18.000 Euro netto im Monat - die wirklich Reichen tauchen in den offiziellen Zahlen also gar nicht auf.

Die Mittelschicht überschätzt ihren Status aber auch, weil sie viel Kraft und Aufmerksamkeit darauf verwendet, sich vehement von der Unterschicht abzugrenzen. Nur zu gern pflegt die Mittelschicht das Vorurteil, dass die Armen Schmarotzer seien. So meinen immerhin 57 Prozent der Bundesbürger, dass sich Langzeitarbeitslose "ein schönes Leben auf Kosten der Gesellschaft machen". Aus dieser Verachtung für die Unterschicht entsteht eine fatale Allianz: Die Mittelschicht wähnt sich an der Seite der Elite, weil sie meint, dass man gemeinsam von perfiden Armen ausgebeutet werde.

Die Kosten der Finanzkrise bleiben an der Mittelschicht hängen

Künftig dürfte die Mittelschicht sogar noch stärker belastet werden. Die Finanzkrise hat die Staatsverschuldung stark erhöht - und diese Kosten wird erneut allein die Mittelschicht tragen, wenn sie sich nicht aus ihrem verqueren Bündnis mit den Vermögenden löst.

Die Mittelschicht ahnt bereits, dass die Kosten der Finanzkrise an ihr hängen bleiben sollen. Trotzdem wendet sie sich weiterhin gegen die Unterschicht und nicht etwa gegen die Eliten. So sagen fast 65 Prozent aller Menschen, die sich selbst von der Wirtschaftskrise betroffen fühlen: "In Deutschland müssen zu viele schwache Gruppen mitversorgt werden." Wieder gerät völlig aus dem Blick, dass vor allem die Vermögenden davon profitiert haben, dass der Staat mit Milliardensummen Banken und Wirtschaft gerettet hat.

Die Mittelschicht wird so lange für die Reichen zahlen, wie sie sich selbst zu den Reichen zählt.

Klicke in dieses Feld, um es in vollständiger Größe anzuzeigen.

Finde den Text ehrlich gesagt nicht schlecht. Viele beschweren sich ja über die Hartzis, die nie arbeiten wollen und sich immer beschweren usw., aber erkennen nicht, dass sie von ganz anderer Stelle geschröpft werden.
Ob es wirklich so unmöglich ist, ohne Eltern zu Reichtum zu kommen, weiß ich ehrlich gesagt nicht, ich will es nicht hoffen, aber ich befürchte es fast.

Ach ja, Quelle: Spiegel.de

Anzeige

Funcop · 8. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

Das Problem ist bekannt. Man gönnt anderen unmengen an Macht nur in der Hoffnung ein tages zu ihnen zu gehören.
Ohne dieses Prinzip würde Kapitalismus doch ganicht funktionieren

xeronc4 · 9. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

Interessante Bewegung dagegen: parteidervernunft.eu - de beste bron van informatie over parteidervernunft. Deze website is te koop!

n0b0dy · 9. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

ne nich interessant, sondern primitiver marktradikaler Extremismus.
das mises zitat ist schon bezeichnend - der kleine anarchist sollte sich vll. mal überlegen wieso er dann ein system vertritt, das ohne diesen staatlichen gewaltapperat zu purem chaos führen würde.
ansonsten guter artikel. die frage ist wie lange wir uns die Reichen noch leisten können bzw. wollen.

Der_Riese · 9. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

Jetzt bekomme ich genau das bestätigt, was mich schon öfters gewundert hat. Habe einige bekannte die die FDP gut finden, die aber selber zur Mittelschicht gehören.
Menschen lassen sich einfach zu leicht täuschen.
Außerdem ist gar nicht so einfach rauszufinden was eine Partei wirklich vor hat, wenn man sich nicht wirklich damit beschäftigt, sondern nur ab und an mal etwas aufschnappt.

Kritiker · 9. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

erstens ist liberalismus kein anarchismus, zweitens fordern mises und seine anhänger explizit, dass der staat die sicherheit des lebens und der gesundheit, der freiheit und des sondereigentums bzw. privateigentums gewährleistet.

du ließt ein zitat von ihm und denkst, du wärst in der lage, aussagen über seine ideen und motive zu machen...

n0b0dy · 9. April 2010

aW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

Ist mir schon klar, was er vertritt - das mit dem anarchist war auch eher ironisch gemeint.
Dennoch ist die Staatsverachtung des Liberalismus ein ziemlicher Widerspruch. Gerade der Liberalismus braucht einen extrem repressiven Staat um das verursachte Elend & die Ungleichheit anzusichern. Der Liberalismus will letztendlich also nur einen anderen Staat.
aber sag doch mal was zum artikel. Der Mittelstand ist tatsächlich immer der Dumme. an die Reichen traut sich die Politik nicht heran und unten gibts eh nichts zu holen - da ist recht klar wer übrig bleibt. Der Mittelstandsbauch wurde ja damals eingeführt um den Spitzensteuersatz abzusenken. Wenn die FDP jetzt meint, der müsse weg, andererseits aber keine Gegenfinanzierung hat und sich ebenso nicht an die Reichen herantraut, ist das ziemlich erbärmlich.
Zur Erinnerung: Die Vermögenskonzentration lähmt die Konjunktur. [1]

GangsterGM · 9. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

Bin der selben meinung..

Kritiker · 9. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

auffallend ist, dass die mittelschicht in der politischen debatte so gut wie gar nicht vorkommt; es wird eine politik betrieben, die sich mit den problemen der unterschicht befasst, was man an der ewigen hartz 4-debatte mehr als deutlich erkennen kann.

leider wird im artikel nicht näher darauf eingegangen, inwieweit die mittelschicht für die reiche elite aufkommt...

irgendwie ist der artikel ziemlich blutleer...

mr.knut · 9. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

ist das kritik? wenn ja: wo genau ist da jetzt dein problem?

Doch die Mittelschicht nimmt nicht wahr, wie groß der Abstand zu den Vermögenden tatsächlich ist. Der Glaube an den eigenen Aufstieg ist ungebrochen, wie auch der Boom der Privatschulen zeigt. Im Kampf um die eigene Karriere entgeht der Mittelschicht, wie unerreichbar die Eliten sind, die ihren Status nicht etwa durch Leistung erwerben, sondern von Generation zu Generation vererben: Die obersten zehn Prozent besitzen bereits 61 Prozent des gesamten Volksvermögens und kassieren 36 Prozent aller Einkünfte.

Der Selbstbetrug wird der Mittelschicht leicht gemacht. Die Reichen verschleiern ihren Wohlstand derart gekonnt, dass völlig unklar ist, wie reich sie wirklich sind. Fest steht nur, dass Billionen aus der Statistik verschwinden. Der Grund: Das Statistische Bundesamt erfasst keine Einkommen über 18.000 Euro netto im Monat - die wirklich Reichen tauchen in den offiziellen Zahlen also gar nicht auf.

Die Mittelschicht überschätzt ihren Status aber auch, weil sie viel Kraft und Aufmerksamkeit darauf verwendet, sich vehement von der Unterschicht abzugrenzen. Nur zu gern pflegt die Mittelschicht das Vorurteil, dass die Armen Schmarotzer seien. So meinen immerhin 57 Prozent der Bundesbürger, dass sich Langzeitarbeitslose "ein schönes Leben auf Kosten der Gesellschaft machen". Aus dieser Verachtung für die Unterschicht entsteht eine fatale Allianz: Die Mittelschicht wähnt sich an der Seite der Elite, weil sie meint, dass man gemeinsam von perfiden Armen ausgebeutet werde.

Klicke in dieses Feld, um es in vollständiger Größe anzuzeigen.

alleine dieser absatz grenzt doch an beleidigung. traurig das man sowas in deutschland von etablierten magazinen lesen muss. ansonsten kann ich nur ***** zustimmen.

Nice4ever · 9. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

Wer wird beleidigt?

Schau dir die Leute doch mal an, die angeblich zu Mittelschicht gehören. Schimpfen die ganze Zeit gegen Arbeitslosenhilfe obwohl sie morgen ihren Job verlieren könnten.
Sie wollen unbedingt Steuersenkungen, obwohl der Nutzen bei ihren Gehältern so gering ist, dass er die Kosten nie aufwiegt.
Und dann gibt es auch noch die Trottel, die die FDP wählen

mr.knut · 10. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

"die reichen"

ja und? was hat das mit angeblicher mittelschicht zutun? sei doch froh das es noch leute gibt, die nicht so idiotisch sind und mehr hartz4 fordern. wo kommen wir denn hin wenn wir noch weiter nach links gehen?

beide stimmen FDP und ich bereue es nicht. wo hast du denn die kreuze hingemacht, falls du denn schon 18 bist?

Kritiker · 10. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

in dem artikel wird viel zu sehr augenmerk auf den rein finanziellen aspekt gelegt... es ist nicht nur das geld, welches die menschen voneinander unterscheidet.

jemand aus der mittelschicht kann schwer mit einer person aus der unterschicht sympathisiseren bzw. sich sogar mit ihr solidarisieren, wenn diese ins typische assozialen-raster passt. ich denke, ich muss den begriff nicht weiter ausführen; jeder weiß, was gemeint ist... warum so tun, als gäbe es solche menschen nicht?

ich gebe zu, dass es sich hierbei um ein drastisches beispiel handelt, doch ich finde diesen gedanken erwährenswert.

Nice4ever · 10. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

@*****: Jop.

@mr.knut: Ich würde mich wenn ich reich wäre jetzt nicht beleidigt fühlen
Aber es stimmt, immer auf die wohlhabenden schimpfen macht auch keinen Sinn, die können meistens gar nicht so viel dafür dass sie reich sind

Das mit dem Hartz4 ist so ne Sache...wenn man das ALG senkt, haben die ganzen Geringverdiener auch nicht mehr davon, auch wenn das von vielen so dargestellt wird. Aber über das Thema will ich gar nicht reden, da läuft so viel falsch, das müsste man ganz neu aufziehn.

Ach ja, ich habe nicht die FDP gewählt, und bereue es auch nicht
An der FDP stört mich übrigens nicht so die Ausrichtung der Partei, sondern eher der Guido, auch wenn die FDP sich teilweise als Volkspartei verkaufen will, was sie definitiv nicht ist.

Btw: Knut, hast du vielleicht ein Hotel?

mr.knut · 10. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

was soll man dazu sagen?

Schön das du das so siehst. Ich dachte immer man wählt eine partei aufgrund ihres parteiprogrammes und nicht wegen der, sagen wir mal, führungspersönlichkeit der partei. bisschen oberflächlich kommt das grade rüber. Was hast du denn gewählt?

Ja, 10.

Nice4ever · 10. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

Hm, aber es ist doch gerade die Führung, die die Partei repräsentiert und die schließlich dafür sorgt, dass das Parteiprogramm auch durchgesetzt wird.

Hab die Piraten gewählt. War die einzige Partei, die in mir keine Antipathien geweckt hat.

Gratuliere

mr.knut · 10. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

hatte auch überlegt ob FDP oder piraten. aber dann hat guido ein video gemacht in dem er gesagt hat, dass jede piratenstimme eine verschenkte stimme ist weil sich die fdp genauso für die ziele der piraten einsetzt. dann habe ich fdp gewählt D).

danke, war sehr harte arbeit aber jetzt kann ich mich ja zurücklehnen

Nice4ever · 10. April 2010

AW: Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

Ja, sitz auf deinem Geld und Beute die Mittelschicht aus
Mal schaun, wie sich die Piraten beim nächsten mal machen, ohne den Hype.

Nützliche Suchen

Die Mittelschicht betrügt sich selbst.

Videos zum Themenbereich