Sonnenlicht aus der Deckenlampe

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von Pac_-_man, 14. September 2006 .

  1. 14. September 2006
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 14. April 2017
    Sonnenlicht aus der Deckenlampe

    Eigentlich ist die Idee schon alt. Schon in den 70er Jahren beschäftigten sich Wissenschaftler in den USA mit der Möglichkeit, Sonnenlicht ins Innere von Gebäuden zu bringen. Doch erst mit der jüngsten Entwicklung von faseroptischen Kabeln aus wirtschaftlichem Plastik gewann das Projekt an Geschwindigkeit. Die Idee: Auf dem Dach eines Gebäudes wird ein Parabolspiegel aus Kunststoff aufgestellt, Durchmesser rund 120 Zentimeter.

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    Gesteuert von einem kleinen Prozessor mit den GPS-Daten des Standorts und der akkuraten Zeit verfolgt der Spiegel die Sonne. Das eingefangene Sonnenlicht wird auf einen kleineren Spiegel reflektiert, der wiederum die Strahlen bündelt und zu einem faseroptischen Receiver in der Mitte des Spiegels schickt.

    In diesem Empfangsteil wird das Licht gefiltert, nur die sichtbaren Bestandteile werden durchgelassen, UV-Licht und Infrarotlicht werden – nicht nur wegen potenziell hautschädigender Wirkung, sondern auch wegen ihrer ungewünschten Wärme – abgeblockt. Der Rest wird in ein Bündel aus 127 einzelnen Fasern, jeweils etwa 0,3 Zentimeter stark, hineingeleitet.

    Diese Lichtleiter bringen die Sonne ins Gebäude, derzeit reichen zwei der Fasern aus, um eine 50-Watt Glühbirne zu ersetzen. Insgesamt bringt das System mit Namen HSL 3010 bei voller Sonneneinstrahlung eine Leuchtleistung von 50.000 Lux, ausreichend, um eine Fläche von bis zu 90 Quadratmetern zu beleuchten.

    „Natürlich scheint aber nicht überall ganztägig die Sonne“, sagt Dr. Duncan Earl, CEO der zur Vermarktung von Hybrid Lighting gegründeten Firma Sunlight Direct. So kommt dann das Hybride ins Hybrid Lighting: Beleuchtungssensoren messen permanent die Lichtverhältnisse in den Räumen. „Wenn das Sonnenlicht nicht ausreicht, gleichen unsere speziellen Leuchten das mit konventionellem elektrischem Licht aus“, so Earl.

    Derzeit ist das System an ausgewählten Standorten im „Sun-Belt“ der USA in einigen öffentlichen Gebäuden und in Unternehmen im Beta-Test. Die ursprüngliche Motivation zur Entwicklung war die – auch geglückte – Reduzierung der Energiekosten. Je nach Exponiertheit, Sonnenscheindauer und generellen Lichtanforderungen im Gebäude spart ein Hybrid Lighting-System bis zu 8000 Kilowattstunden im Jahr.

    Sekundäre Einsparungen – besonders im klimaanlagenverrückten Amerika wichtig – liegen in geringeren Kühlungskosten, da sich die Räume dank gefiltertem Sonnenlicht weniger aufheizen, sowie in längeren Lebenszeiten von Glühbirnen, die wegen der bedarfsgesteuerten Dimmung geringeren Belastungen ausgesetzt sind.

    Weitere Vorteile des Sonnenlichts sind biologischer und psychologischer Natur. „Sonnenlicht ist einfach das beste Licht für Menschen“, sagt Earl. So stellte eine Studie im Auftrag des kalifornischen Board for Energy Efficiency zum Beispiel signifikant größere Lernerfolge bei Schülern mit durch Oberlichter sonnenbeleuchteten Klassenräumen fest. Auch die Produktivität von Arbeitern werde effektiv gestärkt, befand die Studie.

    Da Sonnenlicht einen größeren Anteil Blau als künstliches Licht gleicher Lumenzahl beinhaltet, wird der Raum heller wahrgenommen, das Bild wird präziser. Größere Tiefenschärfe und Genauigkeit führen zu weniger Erschöpfungsanzeichen, verbesserter Hand-Auge-Koordination und somit weniger Unfällen.

    Und noch einen weiteren Aspekt verbessert das Sonnenlicht: Besonnte Menschen sind kauffreudiger. Ebenfalls im Sunshine-State Kalifornien belegt eine Vergleichsstudie zwischen identischen Geschäften, die sich fast nur durch ihre Beleuchtung (Oberlicht vs. Kunstlicht) unterscheiden, erhebliche Steigerungen des Umsatzes bei den Etablissements mit Sonnenlicht.

    Die Kunden empfanden den Laden als größer, sauberer und einladender. Der Effekt: 40% mehr Waren wurden im Schnitt verkauft. Es scheint, als könne sich die Investition in ein HSL-System lohnen, die Anschaffungskosten pro Einheit sollen – zur angepeilten Marktreife Anfang 2007 – für institutionelle Kunden bei unter 10.000 Dollar liegen. Bis allerdings ein System für Privatkunden in den Beta-Test geht, soll es 2008 werden.

    Dank Plastiklichtleitern ist das HSL-System zwar wirtschaftlich, aber andererseits auch starken Einschränkungen unterworfen. Das Material tendiert dazu, einen Anteil des Lichts zu absorbieren. Daher ist momentan bei einer Gesamtlänge von zehn Metern Leiter Schluss, da die Verluste ansonsten zu hoch werden. Als Konsequenz empfiehlt sich die Nutzung also nur in einstöckigen Gebäuden, oder muss sich bei mehrstöckigen Häusern auf das oberste Stockwerk beschränken.

    Der deutsche Lichtleiterexperte Hans Poisel leitet an der FH Nürnberg Europas erstes Anwendungszentrum für Polymere Optische Fasern (POF-AC). Er ist skeptisch, ob sich HSL mit seiner 120 cm-Parabolschüssel durchsetzen wird. „Technisch zu aufwendig und einfach zu groß“, befindet er.

    Für die begrenzte Reichweite der Leiter hätte er aber eine Lösung. „Die Plastikleiter sind gut wegen ihrer Flexibilität. Doch gerade Strecken ließen sich auch mit Hohlrohren mit verspiegelter Auskleidung überbrücken“, so Poisel. So würde der Verlust minimiert und die verfügbare Strecke verlängert. Das Nürnberger Team arbeitet selbst an einer Tageslichtlösung für den Hausgebrauch, bis zur Vorstellung wird es aber noch dauern.

    Vorerst bleiben HSL einerseits, andererseits ein System der japanischen Firma La Foret Engineering, das mit echter und darum kostspieligerer und leistungsfähigerer Glasfaser arbeitet, allein auf dem Markt für Sonnenlicht via Faser. Beide bieten übrigens nicht nur Einsparungen und Stimmungsaufhellung, sondern am Ende eines langen Arbeitstages auch noch etwas ganz besonderes: Den Sonnenuntergang am Schreibtisch. Denn selbstverständlich ändert sich auch die Farbe der Illumination mit der Uhrzeit. Es sei denn, man ist unromantisch oder muss Überstunden machen. Dann blendet der Nutzer die echte Abendstimmung – auch das ist möglich – per Knopfdruck aus.

    Quelle: www.heise.de
     
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