BRD - Eigene Verfassung

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von sh0k, 30. November 2010 .

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  1. 30. November 2010
    Hallo Leute, ich habe so einige Fragen zum Thema Verfassung Deutschlands.
    Vielen Deutschen, ich wuerde sogar behaupten den meisten Deutschen, ist gar nicht bewusst, dass unsere momentane Verfassung gar nicht eine Verfassung ist die vom deutschen Volk ausgeht. Ich selbst habe viele Fragen zum Thema und wollte hier eine Diskussion starten, bei der auch ich mich informieren kann. Also erstmal zu den grundlegenden Dingen:

    (Bitte korrigiert mich wenn ich etwas falsch verstanden habe, ich werde einige Begriffe in eigenen Worten wiedergeben, wenn sie falsch sind und ich Muell verfasse, dann haengt mich nicht, sondern macht mich einfach darauf aufmerksam was falsch ist)

    1. Was ist eine Verfassung?
    Soweit ich das verstanden habe, legt die Verfassung fest, was fuer eine Staatsform herrscht. Ist z.b. ein Volk dafuer, dass Kommunismus herrscht, so wird sich wohl auch der Kommunismus im Staat etablieren bzw. das Volk wird selbst dafuer sorgen. Darueber hinaus stellt die Verfassung eines Staates auch die Grundgesetze dar.

    2. Woher stammt die aktuelle Verfassung Deutschlands?
    Unsere aktuelle Verfassung war als Übergangsverfassung von den Allierten geplant. Hierbei gab es keine Volksabstimmung.

    3. Wann kann das deutsche Volk für eine eigene Verfassung abstimmen?
    Eigentlich zur jeder Zeit, denn ich zitiere hier mal aus Wikipedia: "Gemäß Artikel 146 verliert das Grundgesetz seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen wurde."

    Soviel zu den grundlegenden Dingen. Nun zu meinen Fragen:
    Warum wissen so wenige Leute darüber Bescheid. Aus meiner Umgebung ( Familie, Freunde, Bekannte fast niemand )? Wieso redet kein Politker darüber oder schlägt mal vor, dass sich die Deutschen für eine eigene Verfassung entscheiden? Kennt jemand eine oder mehrere Partei(en) die sowas im Programm haben? Warum sollten wir Deutsche überhaupt unsere Verfassung ändern wollen? Mit der Demokratie ist doch jeder zu Frieden. Aber könnte der kleine Mann sich selbst mehr Rechte geben? Könnten Volksabstimmungen eingeführt werden?

    Also an alle Leute die Ahnung von der Materie haben, fühlt euch frei meine Fragen zu beantworten und eure Meinung zum Thema mit den anderen zu teilen.
     
  2. 30. November 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Wo ist das Problem einer oktroyierten Verfassung, wenn sie denn demokratisch ist?
    Ich bin relativ zufrieden mit unserer jetzigen, wobei die Weimarer Verfassung mit einigen Variationen, besonders bezüglich der Machtkonzentration, wohl die demokratischere wäre.
     
  3. 30. November 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Weimarer Verfassung, Machtkonzentration... ich Sage nur Wahlen und Miniaturparteien. Genau diese Verfassung ist hauptverantwortlich für das Aufkommen des Nationalsozialismus.
     
  4. 30. November 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Nein, sie ist nicht hauptverantworlich, hat aber auch einen gewichtigen Teil dazu beigetragen. Deswegen sagte ich auch, dass man sie Veränderungen unterziehen und etwas an unsere heutige angleichen müsste, vom Grundsatz her ist sie aber demokratischer als die unsrige.

    Aber die ideale Verfassung zu kreiren ist ohnehin schlichtweg unmöglich, deshalb deutete ich auch unumstößlich an, dass ich mit der jetzigen sehr zufrieden bin.
     
  5. 30. November 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    grundlegend war sie dennoch freiheitlicher und demokratischer. diese "notfall artikel" (die hatten doch nen genauen namen?) waren der grund, warum hitler legal seine macht ausdehnen konnte.

    unsere verfassung is gut. deswegen setzt sich keiner dafür ein, dass eine neue kommt. und vorallem: wer hat denn die kompetenz dazu, eine neue verfassung...nunja...zu verfassen? Und vorallem was würde drinnstehen? Würde sie wirklich demokratischer werden? Oder würde der Geist der Zeit eine autoritärere Verfassung mit sich bringen? Was ist, wenn der nächsten Generation diese Verfassung nicht mehr gefällt und sie auch wieder eine neue Verfassung verabschieden wollen? Ein ständiges wechseln und rechtliche Unsicherheit. Dazu ein enormer bürokratischer Aufwand, enorme Kosten. Alles quasi ohne Not.

    Übrigens haben glaube ich die Linken einige Verfassungsänderungen im Programm. Aber dafür bräuchten sie jeweils eine 2/3 Mehrheit in Bundestag und Bundesrat (oder so ähnlich). Die bekommt man nicht so leicht und das ist auch gut so (s.o.).

    mfG
     
  6. 1. Dezember 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Ich habe mich in letzter Zeit mit dieser Thematik sehr beschäftigt, wobei grds. erkennbar ist, dass zum größten Teil Rechtsextremisten diese aufgreifen, um somit auf "legalem", bzw. "legitimen" Wege ihr "Ziel" zu erreichen. Diese behaupten nämlich u.a., dass das Deutsche Reich nie kapituliert hat und somit die BRD und deren Verfassung als Fremdherrschaft auf deutschem Boden existiert. Wie du bereits erklärt hast kennen sich wirklich nur wenige damit aus - bei den Rechtsextremisten sichtlich noch weniger!

    1. Eine Verfassung legt zunächst nicht fest, welche Staatsform legitim ist; welche nicht. Eine Verfassung ist mehr oder minder das Ergebnis eines kulturen-politischen-historischen Prozesses, welches das Rechtssystem, bzw. die Rechtsordnung beschreibt und über allen anderen, weiteren innerstaatlichen Rechtsordnungen steht. Der Großteil einer Verfassung besteht demnach aus sogen. Staatsorganisationsrecht. Eine Verfassung kann zudem Grundrechte gewährleisten, wie dies oftmals der Fall ist. Ein Staat benötigt dies allerdings ebensowenig, als er überhaupt eine Verfassung benötigt, um als "Staat" anerkannt zu werden. Großbritannien beispielsweise hat keine "geschriebene Verfassung". Weiterhin gilt es zwischen Grundgesetze und Grundrechte zu unterscheiden. Während Grundrechte ein allgemeiner Begriff, für sogen. Abwehrrechte gegenüber dem Staat sind, ist das Grundgesetz ausschließlich der Name für die deutsche Verfassung. Das deutsche Grundgesetz beschränkt sich zudem, wie bereits erwähnt, nicht auf eine bestimmte Staats- oder Wirtschaftsform. Es wäre durchaus eine sozialistische Republik verfassungsgemäß. Sie müsste allerdings demokratisch und föderalistische angeordnet sein.

    2. Das Grundgesetz wurde durch den Parlamentarischen Rat entworfen. Es ist grds. so, dass eine Verfassung nicht durch eine Volksabstimmung gedeckt sein muss, denn es ist gerade die Verfassung, die diesbezüglich weitere Regelungen trifft.

    3. Wann das deutsche Volk für eine eigene Verfassung abstimmen kann, wird wohl die schwierigste Frage sein. Dazu gibt es verschiedenste Theorien und Ansichten.
    Fraglich ist vorab schon, ob 1990 wirklich eine Einheit stattfand, oder ob dies ausschließlich als Untergang der DDR und Beitritt dieses Gebietes an die BRD zu verstehen ist. Um dies wiederum zu verstehen muss man den Zwei-plus-Vier-Vertrag analysieren.
    Insgesamt ist es ein nicht allzu simples Thema und würde hier Seiten füllen.

    Viel zu oft versuchen "normale" Bürger diesen komplexen juristischen Sachverhalt nach Belieben zu erklären; kommen zu dem Schluss, dass das ganze Land auf Lug und Trug basiert und es unbedingt einen Umsturz geben müsse. Begibt man sich auf diese Argumentationsebene kommt es nicht selten vor, dass man in die rechte Ecke getrieben wird. Man begibt sich immer auf dünnem Eis, wenn man gänzlich unwissenschaftlich an die Sache rangeht. Unter den Parteien ist mir bisher nur die NPD, die DVU, die MLPD, sowie die DKP bekannt, die als verfassungsfeindlich eingestuft wurden, gleichwohl sich ihre Anhängerschaft (insb. bei der NPD) bei Prozessen immer auf die Verfassung (bes. Meinungsfreiheit) beruft. Die NPD ist dennoch die einzige Partei, die eine "neue Verfassung" anstrebt. Wie diese konkret gestaltet sein soll bleibt aber unklar. Im geschichtich-deutschen Kontext bleibt es zumindest äußerst bedenklich, dennoch klar ersichtlich, wenn eine rechtsextremistische Partei die freiheitliche-demokratische Grundordnung ersetzen will.

    Abschließend kann ich mich den anderen Meinungen nur anschließen und sagen, dass es eine wirklich gelungene soziale, demokratische und vor allem auf weiteren Erhalt erstrebenswerte Verfassung ist!
     
  7. 1. Dezember 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Die deutsche Verfassung wurde nicht von Deutschen gemacht, weil in dieser Zeit die Entnazifizierung noch voll im Gange war.

    Man musste damals die Demokratie den Deutschen einprügeln, weil sie halt noch total Anti-Demokratisch waren durch Hitler usw.

    Das war erst vor einem halben Jahrhundert. Ich finde das ist ein gutes Thema, da viele Deutsche auf andere Kulturen herabsehen und sich für etwas besseres halten, obwohl vor kurzer Zeit es noch ganz anders aussah.
     
  8. 1. Dezember 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Doch das Grundgesetzt wurde von den Deutschen erarbeitet, aber natürlich nur auf Druck von den westlichen Besatzungsmächten, die sie auch kontrolliert haben. Einige Paragraphen sind sogar noch aus der Kaiserzeit zu finden die exakt übernommen worden sind.
    Ich denke man kann auch nicht sagen das man den Deutschen damals die Demokratie eingeprügelt hat, den nach der offenlegung des Holocaustes, war die Kriegsschuldfrage klar. Die Deutschen nach dem 1 Weltkrieg, die waren noch sehr anti- demokratisch. ich glaube gerade durch Hitler wurde die Menschen aufnahmefähig für die Demokratie als sie gesehen haben das sie alle mist gebaut hatten.



    MFG Painkiller47
     
  9. 2. Dezember 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Der Holocaust ist von der Kriegsschuldfrage stets getrennt zu beurteilen. Der Holocaust hat mit dem Kriegsbeginn, bzw. mit dem Krieg allgemein nichts zu tun.
    Weiterhin bin ich der Meinung, dass die deutschen nach dem ersten Weltkrieg äußerst demokratisch waren; der überwiegende Teil der Bevölkerung zumindest. Nur ein geringer Anteil, u.a. das Bürgertum hatte es geschafft diese demokratischen Bewegungen und deren Fortschritt zu zerschlagen!
     
  10. 2. Dezember 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Der Versailler Vertrag und die Behandlung durch die Siegermächte (Ruhrbesetzung etc.) hat dafür gesorgt das die demokratische Ordnung 1933 wieder zu Ende ging.
     
  11. 2. Dezember 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Die Aliierten wollten unser heutiges "Grundgesetz" auch "Verfassung" nennen, worauf wir Deutschen, bzw die Politiker die Aliierten gebeten haben, darauf zu verzichten.
    Eine Verfassung würde ja bedeuten, dass wir als Staat komplett sind, was wir zu dieser Zeit, auf Grund von Ost-Deutschland, nicht waren.
    Das Grundgesetz sollte also eine Übergangslösung sein, bis wir EIN Deutschland hatten.
    Es wurde dann aber nicht geändert...warum dann auch. Es steht alles drin, was drin stehen sollte und es wird alles abgedeckt. Es ist also nur eine unnötige "formale" Sache, da man sie wahrscheinlich einfach nur umbennen würde.
     
  12. 2. Dezember 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Also erstens kam die "Behandlung durch die Siegermächte, wenn überhaupt erst nach 1945 zur geltung und zweitens war der Versailler Vertrag sicherlich eine Last, aber nicht der Auslöser für den Niederschlag der Demokratie!Der V-V hat Hitler nicht gewählt. Oftmals wird auch von der "Machtergreifung" gesprochen. Wahrheitsgemäßer find ich jedoch den Ausdruck "Machtübertragung".


    Wobei man ehrlicherweise hinzufügen sollte, dass eine Besatzungsmacht stets ein vereintes Deutschland und keine Staatenspalterei wollte; das war die UdSSR unter Josef Stalin!
     
  13. 2. Dezember 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Das Grundgesetz sollte nichts festgeschriebendes sein, nach dem sich die Wirklichkeit zu richten hätte.
    So heißt es schon in der Verfassung der Französischen Republik vom 24. Juni 1793, Art. 28:
    ,,Ein Volk hat stets das Recht, seine Verfassung zu überprüfen, zu reformieren und zu ändern. Eine Generation kann nicht die kommenden Generationen ihren Gesetzen unterwerfen."

    Bei Verfassungen, die in revolutionären Situationen oder tiefgreifenden Transformationsprozessen entstanden sind, fällt auf, dass sie eher einen programmatischen Charakter haben - z.B. die mexikanische oder die neue Venezuelas. Ganz im Gegensatz zum normativen der europäischen Verfassungen. Dahinter steht die Idee, dass die "konstituierende Macht" der Bevölkerung die Verhältnisse immer wieder grundlegend hinterfragen kann(!) und die Gesellschaft sich zumindest mittel & langfristig nicht an der Verfassung orientieren muss, sondern die Verfassung an die Veränderung der Gesellschaft angepasst wird.
     
  14. 2. Dezember 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    In unserer Verfassung, zumindest von den Grundrechten ausgehend, sind, wie bereits erwähnt, Verhältnisse, i.S.v. Besitz, bzw. Eigentumsverhältnissen, überhaupt nicht festgeschrieben. Die Grundrechte gewähren ausschließlich Freiheits- und Gleichheitsrechte, die als Abwehrrechte gegen den Staat geltend gemacht werden können. Sicherlich kann man diese hinterfragen und kritisieren;
    es fragt sich nur warum. Die Freiheit als allgemeinen Begriff ist nichts vergängliches oder als solches zu verstehen, was angepasst werden muss.

    Der weitere Teil der Verfassung (Art. 21 ff.) unterliegt zudem nicht der Ewigkeitsklausel und ist durchaus änderbar! Demnach ist das politische System an sich änderbar.
     
  15. 2. Dezember 2010
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Demokratischer ist ja noch kein Indikator für gut oder schlecht. Würde man diese Milchmädchenrechnung weiter verfolgen würde die absolut direkte Demokratie die beste sein, was sie rein strukturell schon nicht sein kann.
     
  16. 2. Dezember 2010
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 15. April 2017
    AW: BRD - Eigene Verfassung

    Gab ja schonmal eine kleine Diskussion zu:
    Rückkehr der Polis - Pure Demokratie? - RR:Board

    Mir liegt es auch fern mit purer Demokratie einen Superlativ der Umstände zu verbinden. Das wäre angesichts unserer gesellschaftlichen Situation Schwachsinn.
     
  17. Video Script

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