Rechnung an die Bank

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von Melcos, 25. Juni 2011 .

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  1. 25. Juni 2011
    Kolumne: Thomas Fricke - Rechnung an die Bank

    Die Kanzlerin hat in letzter Minute darauf verzichtet, Private für Griechenlands Drama zahlen zu lassen. Gut so. Es gibt subtilere Mittel, Geldinstitute am Schuldenabbau zu beteiligen. von Thomas Fricke

    Die Idee ist ja prima. Früher oder später sollten auch die fürs Staatsschuldendrama zahlen, die jahrelang dazu beigetragen haben. Indem sie sorglos griechische Anleihen kauften. Oder so lange mit Geld jongliert haben, bis die Blase platzte und Milliarden Staatshilfen nötig wurden, um Banken zu retten und die Depression zu verhindern. Die Rechnung, bitte.

    Es spricht nur einiges dafür, sie etwas später zu präsentieren. Das scheint, zumindest im griechischen Fall, auch die Kanzlerin kurz vor dem EU-Gipfel begriffen zu haben. Weil das Herumdrohen mit Gläubigerhaftung in derart labiler Finanz- und Vertrauenslage immer neue Panikschübe ausgelöst hat, die noch mehr Staatsschulden mit sich bringen.

    Es gibt einen galanteren und gleichzeitig radikalen Weg, die Finanzbranche zahlen zu lassen - wie es Briten und Amerikaner nach 1945 gemacht haben, als sie ihre gigantischen Kriegsschulden abtrugen: durch gedrückte Zinsen und erhöhten Druck, Staatsanleihen zu kaufen. Das ist subtiler und wäre womöglich viel effizienter als der heillose Versuch, Defizite über Radikalkonsolidierung, Schuldenschnittgerede oder Drohungen an Anleger zu stoppen. Es müssen ja nicht nur die Griechen eine Menge Schulden abbauen.

    Vorbild Kriegsschuldenabbau

    Es hat etwas Groteskes, mit welchem Eifer EU-Kommission und Bundesregierung noch drängen, dass die Griechen ihre Schulden über noch mehr Steuererhöhungen, noch stärker gekürzte Renten und Ausgaben abbauen sollen. Wenn die Griechenland-Krise etwas gezeigt hat, dann, dass es auch bei einem hoch verschuldeten Land desaströs wirkt, das Defizit mit kurzatmigem Herumkürzen und Steuererhöhen senken zu wollen - weil das zunächst nur die Rezession verschärft und dem Finanzminister dann Einnahmen fehlen. Ein Teufelskreis.

    Die beiden US-Ökonominnen Carmen Reinhart und Belen Sbrancia zweifeln ebenfalls daran, dass es unter solchen Bedingungen möglich ist, aus den Schulden herauszuwachsen - durch hohes Wirtschaftswachstum. Lehrreicher sei, was Briten und Amerikanern nach 1945 geholfen hat und von Fachleuten "Financial Repression" genannt wurde. Fast vergessen.

    Nach Kriegsende hatten die Briten Staatsschulden, die mehr als doppelt so hoch waren wie ihr Bruttoinlandsprodukt, viel mehr als heute die Griechen. Die Amerikaner kamen auf fast 120 Prozent. Zehn Jahre später lagen die Raten nur noch etwa halb so hoch - atemberaubend.
    Am Wirtschaftswachstum allein könne das nicht gelegen haben, so Reinhart und Sbrancia. So hoch war das damals nicht. Es gab auch keinen Schuldenschnitt, wie ihn Rumpelökonomen gerade für ein häufig zitiertes südeuropäisches Land fordern. Auch keine Hyperinflation, mit der Staatsschulden weginflationiert werden und die ja auch, sagen wir, nicht uneingeschränkt populär ist.

    Der Trick mit der starken Regulierung

    Der Trick lag in der starken Regulierung, die Amerikaner wie Briten nach dem Liberalisierungsdesaster samt Großer Depression in den 30er-Jahren begonnen hatten. Dazu gehörte, dass auf Bankeinlagen Zinsobergrenzen eingeführt wurden, die dazu führten, dass es attraktiver schien, dem Staat mäßig verzinste Staatsanleihen abzukaufen. Oder dass die Leitzinsen niedrig gehalten wurden. Und dass es strikte Auflagen dafür gab, Geld ins Ausland zu schaffen, damit auch keiner vor den niedrigen Zinsen fliehen konnte. Dazu gehörte auch, dass die Regierungen Auflagen erließen, wonach zum Beispiel Pensionsfonds gezwungen wurden, einen bestimmten Teil der Depots mit Staatsanleihen zu bestücken. Was den Schuldendienst ebenso erleichterte.

    Wie die US-Expertinnen eindrucksvoll darlegen, lagen die Zinsen in dieser Zeit daraufhin viel niedriger als in (früheren oder späteren) Zeiten stark liberalisierter Finanzmärkte - bei mäßig höherer Inflation. In den USA gab es in jedem vierten Jahr zwischen 1945 und 1980 mehr Inflation als Zinsen, sprich: negative Realzinsen. Bei den Briten war das in fast jedem zweiten Jahr so. Unter einem Prozent lagen die britischen Realzinsen knapp drei von vier Jahren.

    Jedes Jahr mit negativen Zinsen reduziert Staatsschulden. Und der Effekt ist enorm. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sparten die USA in dieser Zeit jährlich gut drei Prozent an Zinszahlungen, die Briten sogar 3,6 Prozent, wie Reinhart und Sbrancia unter eher konservativer Annahme schätzen. Schon das hat die Schulden in zehn Jahren um mindestens 30 bis 40 Prozent des BIPs sinken lassen. Wofür die wenigen anderen Länder, denen so was bei normaleren Zinsen gelang, ein paar Jahrzehnte brauchten. Oder einen Dauerboom.

    Wie Reinhart und Sbrancia ausrechneten, wären die Staatsschulden in Großbritannien ohne den Liquidierungseffekt niedriger Zinsen 1955 auf fast 250 Prozent gestiegen - statt auf 138 Prozent zu fallen. In den USA hätten sie zehn Jahre nach dem Krieg bei 140 statt bei 66 Prozent gelegen. Eine Frage von Pleite oder Nichtpleite.

    Klar: Solch staatlich gedrückte Zinsen sind de facto eine versteckte Steuer auf Ersparnisse und Erträge der Finanzbranche, die der Staat zum Schuldenabbau nutzt. Nicht schön. Die Frage ist nur, was die Alternative ist. Immerhin ist - Obacht, Frau Merkel - damit auch der viel bemühte Privatsektor am Abbau der mitverschuldeten Staatsschulden beteiligt. Nur dass das Modell eher, sagen wir, hinterrücks wirkt. Und sich daher nicht so populär nutzen lässt, wie die Kanzlerin es gern hätte, damit die überforderten Abgeordneten im Bundestag dem nächsten Hilfspaket zustimmen.

    Das Rezept würde die Konjunktur nicht so bremsen wie endloses Herumkürzen an Renten und Investitionen. Niedrige Zinsen helfen auch da. Und es trifft eine Branche, in der spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise fraglich ist, welchen gesellschaftlichen Mehrwert ein Großteil der Geschäfte überhaupt hat - ohne dass es potenzielle Käufer griechischer Staatsanleihen abschreckt, weil sie bei einer Pleite ihr Geld verlieren.

    Könnte sogar sein, dass die Rückkehr zur Finanzwelt der Nachkriegszeit der einzige Weg ist, auf dem die weltweit hochgeschnellten Staatsschulden überhaupt wieder abgebaut werden - zusammen mit gestärktem Wirtschaftswachstum. Es ist ja nicht so, als seien die Jahre so schlecht gelaufen, in denen die Finanzbranche zwischen 1945 und 1980 am ganz großen Geldmachen gehindert war.

    Thomas Fricke ist FTD-Chefökonom.

    Quelle: FTD

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    Solch eine Maßnahme hätte wirklich historische Ausmaße und dabei von einem Kriegsschuldenabbau zu sprechen ist nicht einmal so daneben. Es würde bedeuten die Globalisierung etwas zurückzudrehen.

    Das Modell ist da, es hat funktioniert im Gegensatz zum freien Markt. Nun liegt es am politischen Willen.

    Die Studie gibts hier.
     
  2. 26. Juni 2011
    AW: Rechnung an die Bank

    achja... das dabei gut 80% der deutschen banken die grätsche machen würde kann man dann ja unter den tisch fallen lassen...

    das wäre sehr kontraproduktiv und wird so nicht stattfinden
     
  3. 1. Juli 2011
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 14. April 2017
    Was kostet uns Steuerzahler jetzt eigentlich Griechenland

    Was kostet uns Steuerzahler jetzt eigentlich Griechenland


    Experten haben begonnen, die Kosten einer am Ende unausweichlichen Umschuldung Griechenlands für die bisherigen Retterstaaten und ihre Steuerzahler zu schätzen. Ökonomen von Brockhouse & Cooper vermuten, daß die Finanzierung von Griechenland, Irland und Portugal etwa 2 % der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands und Frankreichs in 2011 entspricht, also praktisch der gesamten erwarteten Wachstumsrate dieser Länder. Bei Nomura International hat man ausgerechnet, daß Deutschland sogar 3,5 % seiner Wirtschaftsleistung transferieren müßte, wenn in der EU ein Grad an Finanzintegration erreicht werden müßte wie in USA, um Krisen an der Europeripherie zu vermeiden.

    Eine neue Studie von Open Europe, einer in London angesiedelten Denkfabrik, vom Juni 2011 untersucht die Kostenentwicklung bei zwei angenommenen Umschuldungen Griechenlands, einer sofortigen und einer im Jahr 2014. Dabei wird vor allem festgestellt, wie mit Zeitablauf immer mehr private Gläubiger durch die Rettungspakete freigekauft werden und dementsprechend die Haftung immer mehr auf öffentliche Gläubiger und deren Steuerzahler übergeht. Bei einer sofortigen Umschuldung wären durch den Ausfall von öffentlichen Forderungen 535 Euro für jeden Haushalt in der Eurozone im Spiel. Eine Umschuldung in 2014 würde den Betrag auf 1.450 Euro hochtreiben. Dabei wird bei einem sofortigen Schuldenschnitt ein Verlust von 50 % der Gläubigerforderungen angenommen, um die fortbestehende Verschuldung Griechenlands verkraftbar zu machen. Der Schuldenschnitt läge in 2014 bereits bei 70 %, um das gleiche Ziel zu erreichen, da weitere Zinsen und Haushaltsdefizite aufgelaufen sind. Deutschland wäre bei einem sofortigen Schuldenschnitt als größter Gläubiger mit 34 Mrd Euro dabei (Abb. 16340), wobei die Belastungen über Abschreibungen bei der EZB nicht in diesen Betrag einbezogen sind und auch nicht Belastungen über die öffentliche Bad Bank, die vor allem die HypoRealEstate-Forderungen gegen Griechenland mitenthält.

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    Die jetzt angeblich von deutschen Banken mit Schäuble vereinbarte Summe von Schuldenverlängerungen von 3,2 Mrd Euro ist ziemlich lächerlich, denn sie entspricht nur einem Drittel der Schulden gegenüber den deutschen Banken. Außerdem sollen davon allein 1,2 Mrd Euro von den staatlichen Bad Banks kommen, was also die Schuld auf der staatlichen Seite hält. Und an den Hauptbeteiligten unter deutschen Banken, der Commerzbank und der Landesbank Baden-Württemberg, ist der Staat und damit der Steuerzahler ganz oder teilweise beteiligt. Wenn die privaten und staatlichen Banken nur ganze 2 Mrd Euro zunächst verlängern und dafür natürlich entsprechend länger hohe Zinsen zwischen 5,5 und 8 % verdienen wollen , so ist das eigentlich ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler, die entsprechend höher ins Risiko gehen werden. Außerdem erwarten die Banken auch noch eine Absicherung über einen Treuhandfonds, so daß sie die hohen Zinsen mit kaum einem Risiko verdienen werden. Das Ganze, was nun aus dem lang kreisenden Berg kam, ist schlicht ein weiterer Skandal.

    Bis zu einer Umschuldung in 2014 würde sich nach Open Europe die Haftung öffentlicher Gläubiger von 85 Mrd Euro auf 250 Mrd Euro fast verdreifachen (Abb. 16339). Das entspricht der Fälligkeitsstruktur der griechischen Staatsschulden und dem entsprechenden Übergang auf die öffentlichen Gläubiger (Abb. 16341). Die billigste Lösung aus der Sicht der Steuerzahler wäre also ein sofortiger und allein ausreichender Schuldenschnitt.

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    Quelle: Informationsportal Globalisierung

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    @4pp1

    Die Deutschen Banken haben längst einen Großteil ihre griechischen Papiere an die EZB abgegeben.
     
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