(Selbst)Bespitzelung: Das wandelnde Photo-Blog

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von zwa3hnn, 21. September 2006 .

  1. 21. September 2006
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 14. April 2017
    Der Traum vom konstant dokumentierten eigenen Leben auf dem persönlichen Blog hat mit einer kleinen Software, die aus jedem Kamerahandy eine wandelnde Webcam macht, einen großen Schritt nach vorne getan. Ein Alptraum für Datenschützer - aber eigenartig faszinierend.

    Auch wenn Deutschland erstaunlich hinterherhinkt, Bloggen ist Volkssport geworden. Manche haben aus dem, was man früher vielleicht noch als digitales Tagebuch bezeichnet hätte, einen Beruf gemacht. Andere opfern freiwillig einen Großteil ihrer Zeit der Dokumentation jedes noch so kleinen Details ihres Privatlebens.

    Bild
    {img-src: http://www.spiegel.de/img/0,1020,705234,00.jpg}

    Zufallsbilder: Die Schnappschüsse wandern alle paar Sekunden ins Internet​

    Mobiles Blogging gehört seit den letzten Monaten zum Pflichtprogramm neuer Handys. Neue Sony Ericsson-, Samsung- oder Nokia-Telefone werden serienmäßig mit Software ausgeliefert, die einem nach dem Schießen eines neuen Photos anbietet, den unvergesslichen Augenblick mit einem Klick im Netz zu veröffentlichen.

    Man mag geteilter Meinung sein, ob diese öffentliche Photographierwut Teil einer Bürgerjournalismusbewegung, einer Verlagerung der Überwachung hin zur Selbstüberwachung oder eben einfach nur Zeitvertreib ist, der die Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit verschwimmen lässt. Der Trend jedenfalls scheint kaum aufhaltbar.

    Automatisiertes Photo-Blogging

    Mit WayMarkr, einer Software für Series 60-Telefone von Nokia, hat dieser Trend gerade eine neue Dimension erreicht. WayMarkr nutzt die Kamera des Telefons nicht länger explizit, um ein bestimmtes Photo zu schießen, sondern schickt einen konstanten Strom von automatisiert geknipsten Photos ins Netz. Alles, was man dazu tun muss, ist, eine Software auf dem Telefon installieren und das Telefon konstant an einer Stelle tragen, die mehr zeigt als die Innereien der eigenen Hosentasche.

    Das sieht unter Umständen albern aus. Alberner als eine der typischen Bluetooth -Freisprecheinrichtungen, die einen bestenfalls wirken lassen wie ein halber Borg, ist es aber auch nicht. In seiner Funktionalität könnte man WayMarkr mit einer altmodischen Webcam vergleichen, wäre da nicht ein entscheidender Faktor. Webcams bewegen sich selten von einem Ort zum anderen.

    Wegweiser zum Bild inklusive

    Selbstverständlich nutzt WayMarkr diese Ortsinformation gleich auch noch, um den Photos einen Geotag hinzuzufügen. Geotags, gerade auch bei Flickr als eine der Hauptfunktionen eingeführt, ermöglichen es einem, jedem Photo den Ort, an dem es geschossen wurde, hinzuzufügen, und so die Bilder mit einer Karte zu kombinieren. Und anstatt jedes Photo einzeln einem Ort zuordnen zu müssen, erledigt WayMarkr diese Funktion automatisch entweder über die Zelleninformationen des Netzproviders, oder - exakter - über ein angeschlossenes GPS Modul. Ein Albtraum für Datenschützer, aber für herumreisende Selbstdarsteller ein willkommenes Werkzeug auf dem Weg zur omnipräsenten Selbstdarstellung: "Ich bin ein wandelndes Photoblog."

    Jetzt fehlt nur noch das passende Telefon dazu, dass unauffällig genug getragen werden kann, während es jeden Schritt dokumentiert, und schon leben wir in einer Welt, in der jeder ein Privatdetektiv sein kann, ein Spion, oder eben einfach nur ein die Welt mit offenen Augen, Verzeihung, offenem Handy durchstreifender Blogger. Die mobile urbane Spieleindustrie jedenfalls dürfte auf solche Applikationen nur gewartet haben.


    quelle: Spiegel Online
     
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