Abschaltbare Skrupel

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von Melcos, 6. Oktober 2006 .

  1. 6. Oktober 2006
    Abschaltbare Skrupel

    Die Hirnforscherin Daria Knoch und der Wirtschaftswissenschaftler Ernst Fehr von der Universität Zürich haben herausgefunden, dass der Hang zum persönlichen Vorteil im vorderen Stirnlappen reguliert wird. Die Wissenschaflter berichten über ihre Ergebnisse in der Online-Ausgabe des Fachmagazins Science (D. Knoch and E. Fehr, Diminishing Reciprocal Fairness by Disrupting the Right Prefrontal Cortex, Science Online DOI 10.1126/science.1129156).

    Eigennutz werde stark von sozialen und moralischen Werten geprägt, meint der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Ernst Fehr von der Universität Zürich. Der Mensch sei die einzige Spezies, die egoistisches Verhalten bestrafen könne, auch wenn es zum eigenen finanziellen Nachteil führe. Um herauszufinden, welche Hirnregionen daran beteiligt sind, setzte er gemeinsam mit seiner Kollegin, der Hirnforscherin Daria Knoch, 52 männlichen und rechtshändigen Probanden einem so genannten ultimativen Spiel aus: Sie wurden Partnern gegenübergesetzt, die eine gewisse Menge Geld zur Verfügung hatten. Dieser teilte das Geld höchst unfair: für ihn selbst bestimmte er den weitaus größeren Anteil. Der Studienteilnehmer hingegen durfte das Angebot entweder annehmen oder ablehnen. Verzichtete er auf das Geld, bekamen beide nichts.

    "Bereits in vorhergehenden Studien zeigte sich, dass die meisten Menschen das Angebot nicht annehmen, um das unfaire Verhalten ihres Partners zu strafen" so Fehr in Science. Nun war unklar, wo diese Entscheidung stattfindet. Bis dahin ließen Studien mit bildgebenden Verfahren vermuten, dass der vordere Stirnlappen – der evolutions- und individualgeschichtlich am spätesten ausreift ist – an der Ausübung von Selbstkontrolle beteiligt ist. So nutzen die Schweizer Wissenschaftler ein schmerzfreies und nicht-invasives Verfahren, um die Aktivität des Hirnareals kurzzeitig zu unterbinden. Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) schickt kurze magnetische Impulse durch den Schädel zu einer bestimmten Stelle und stört dort für einen kurzen Augenblick die elektrische Informationsweiterleitung.

    Das Ergebnis: Probanden, deren Erregbarkeit im Stirnlappen gemindert wurde, konnten ihren Eigennutz weit weniger gut kontrollieren als solche, die sich unmanipuliert in das Spiel begaben. Moralische Veränderungen sind auch von Menschen, die an Hirnverletzungen, Tumore oder andere Nervenerkrankungen direkt hinter der Stirn leiden, bekannt. Der Hirnforscher Antonio Damasio stellte bereits vor etwa 30 Jahren fest, dass Kinder, die vor dem zweiten Lebensjahr im Stirnhirn Verletzungen erlitten, kein sozial-moralisches Verhalten mehr lernen. Ähnliches gilt für manche Patienten mit einem Epilepsie-Herd in der Stirnregion.

    Interessant ist jedoch, dass Spielteilnehmer unabhängig davon, ob ihr vorderer Stirnlappen stimuliert wurde, das Verhalten des Partners als sehr unfair beurteilten. Wer also egoistisch reagiert, hat keine Probleme, seinen Verhandlungs- oder Beziehungspartner als durchaus unfair zu empfinden.

    Quelle: heise.de
     
  2. 6. Oktober 2006
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 14. April 2017
    Per Magnetspule Gehirn beeinflussen

    Die Fairness lässt sich ausschalten

    Mit Hilfe starker Magnetfelder lassen sich einzelne Hirnregionen vorübergehend ausschalten. In einem Versuch deaktivierten Forscher den Bereich für faires Verhalten.

    Bild
    {img-src: http://img187.imageshack.us/img187/1738/tms500rm3.jpg}
    Mit der schmetterlingsförmigen Spule des "TMS" können starke Magnetfelder erzeugt werden. Damit lassen sich gezielt bestimmte Hirnregionen beeinflussen

    Eine klar definierbare Region im Gehirn wird aktiv, wenn sich Menschen entgegen ihren eigentlichen Interessen für faires Verhalten entscheiden. Das hat ein internationales Forscherteam in Tests mit Freiwilligen gezeigt. Die Probanden nahmen an einem Spiel teil, wobei die Spieler bestimmte Angebote annehmen können, oder auch ablehnen, wenn diese ihnen unfair erscheinen. Als die Forscher den Probanden eine bestimmte Region der vorderen Großhirnrinde durch magnetische Impulse stilllegten, entschieden sie sich eher für unfaires und egoistisches Handeln. Ihre Ergebnisse stellen Daria Knoch von der Universität Zürich und ihre Kollegen im Fachmagazin "Science" vor (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1126/science.1129156).

    Stirnlappenregion hat Überwachungs- und Analyseaufgaben
    In ihren Tests arbeiteten die Forscher mit der so genannten Transkraniellen Magnetstimulation (TMS), bei der Magnetfelder elektrische Ströme im Gehirn hervorrufen und bestimmte Hirnregionen dadurch räumlich sehr gezielt kurzzeitig lahmgelegt werden können. Die so behandelten Probanden hatten das aus vielen Verhaltenstests bekannte Ultimatumspiel zu spielen, mit dem sich das Gefühl für gegenseitige Fairness testen lässt. Spieler 1 bekommt einen Betrag zur Verfügung gestellt. Er muss hiervon einen von ihm selbst bestimmten Teil Spieler 2 anbieten. Nimmt dieser an, bekommt Spieler 1 den ursprünglichen Betrag minus den angebotenen Teil. Lehnt Spieler 2 ab, weil ihm das Angebot unfair erscheint, bekommt keiner der Spieler etwas. In diesem Fall ist Spieler 2 also die Fairness wichtiger als der eigene Vorteil und er bestraft Spieler 1 für dessen unmoralisches Angebot.

    Als Betrag gaben die Forscher den Probanden 20 Schweizer Franken. Davon nur vier Franken anzubieten, war für die Kontrollgruppen ein entschieden unfairer Vorschlag und damit inakzeptabel. Die Gruppe, deren rechte Seite einer bestimmten Hirnregion kurzfristig ausgeschaltet wurde, nahmen jedoch auch solche Offerten aus reinem Egoismus an - obwohl sie genau beurteilen konnten, ob das Angebot gerecht ist oder nicht. Dazu waren sie mit ihren Entscheidungen genauso schnell wie bei den fairen Angeboten. Die Kontrollgruppen, bei denen keine oder die linke Seite dieser Hirnregion ausgeschaltet wurde, brauchten immer ein wenig länger bei den ungerechten Angeboten, da das Gehirn erst einen Konflikt zwischen Egoismus und Gerechtigkeit austragen muss.

    Die betroffene Hirnregion gehörte zum so genannten präfrontalen Kortex, einem Teil der Großhirnrinde, der für Überwachungs- und Analyseaufgaben zuständig ist. Wie ein zentraler Prozessor empfängt er unterschiedlichste Informationen, die von ihm analysiert und bewertet werden und sendet die Ergebnisse wieder zurück. Wird dieser Teils des Gehirns beschädigt, können Persönlichkeitsstörungen die Folge sein - mit Symptomen wie emotionale Verflachung, Triebenthemmung oder Missachtung sozialer Normen wie zum Beispiel Fairness.

    Quelle
     
  3. 6. Oktober 2006
    AW: Abschaltbare Skrupel

    Schon interessant, aber als ausgereiftere ersion sicher gefährlich, sofern es in falsche Hände gerät. Macht mir ehrlichgesagt Angst, dass man mit moderner Technik das Handeln fremder Menschen fast ohne deren Einverständnis beeinflussen kann.
     
  4. Video Script

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