Klimawandel: Golfstrom verliert an Kraft

Artikel von Fabiane Herbst am 11. April 2018 um 21:48 Uhr im Forum Wissenschaft & Forschung - Kategorie: Wissenschaft

Schlagworte:

Klimawandel: Golfstrom verliert an Kraft

11. April 2018     Kategorie: Wissenschaft
Der Nordatalntikstrom auch Golfstrom genannt, wirkt wie ein gigantisches Fernwärme-Heizung. Warmes Wasser strömt in den Norden und kühles in den Süden. Dieses System hat enorme Effekten auf das Klima und den Meeresspiegel, wenn die Leistung dieses Stroms nachlässt. Aktuelle Studien zeichnen genau das immer deutlicher ab. Dabei spielt der Klimawandel als Ursache eine Hauptrolle.

golfstrom-klimawandel.jpg

Der ernste Blick auf die Atlantische meridionale Ozeanzirkulation ist zweifellos berechtigt. Es handelt sich um das wichtigste Wärmetransportsystem der Erde und bestimmt vor allem in Europa das Klima. Die Umwälzung wird von Unterschieden in der Dichte des Meerwassers angetrieben: Von Südwesten fließt das warme und daher leichte Wasser an der Oberfläche in den Nordatlantik (Golfstrom genannt). Im Norden sinkt das abgekühlte und dichtere Wasser in tiefere Wasserschichten ab und fließt gegen Süden.

Computersimulationen legten bereits nahe, dass sich diese Zirkulation in Folge der vom Menschen verursachten globale Erwärmung abschwächen könnte. Ob dieser Effekt bereits vorliegt, war bisher allerdings unklar. „Die Belege, die wir jetzt haben, sind die bisher robustesten“, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Um Veränderungen der Strömung zu erfassen, haben er und seine internationalen Kollegen Temperaturdaten von der Wasseroberfläche untersucht. Sie ermöglichen Rückschlüsse auf die Strömungseigenschaften, da die Meeresströmungen wiederum die wichtigste Ursache für Temperaturveränderungen im Nordatlantik sind. „Wir haben alle verfügbaren Daten über die Temperatur der Meeresoberfläche analysiert – vom späten 19. Jahrhundert bis heute“, sagt Rahmstorf.

Flussgeschwindigkeit um 15 Prozent langsamer


Wie die Forscher berichten, zeichnete sich in in ihren Analyseergebnissen ein charakteristisches Muster ab: „Wir haben eine Abkühlung des Ozeans südlich von Grönland und eine ungewöhnliche Erwärmung vor der US-Küste festgestellt“
, sagt Co-Autorin Levke Caesar vom PIK. „Diese Ergebnisse sind wie ein Fingerabdruck der Verlangsamung der Umwälzung der Wassermassen im Atlantik“. Wie die Forscher erklären, bringen schwächere Strömungen weniger Wärme nach Norden, was zu einer Abkühlung des Nordatlantiks führt. Gleichzeitig verlagert sich der Golfstrom nahe der US-Küste nach Norden und sorgt für eine Erwärmung der dortigen Gewässer. „Diese Region hat sich in den letzten Jahrzehnten schneller erwärmt als fast alle anderen Teile der Weltmeere“, sagt Co-Autor Vincent Saba vom National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) Laboratory in Princeton, USA.


Die Ergebnisse liefern unterm Strich Belege dafür, dass sich die Ozeanzirkulation seit Mitte des 20. Jahrhunderts um etwa 15 Prozent verlangsamt hat. Die Forscher sind überzeugt, dass es sich um einen Folge des menschengemachten Klimawandels handelt. „Durch die verstärkten Regenfälle sowie Schmelzwasser aus dem arktischen Meereis und Grönlandeis wird das Wasser des Nordatlantiks verdünnt, wodurch sein Salzgehalt sinkt. Weniger salzhaltiges Wasser ist weniger dicht und damit weniger schwer – somit sinkt es schwächer von der Oberfläche in die Tiefe“, erklärt Co-Autor Alexander Robinson von der Universität Madrid. „Wenn wir die globale Erwärmung nicht rasch stoppen, müssen wir mit einer weiteren langfristigen Verlangsamung der Atlantikströmung rechnen“.

Die Folgen könnten dramatisch sein: Modellen zufolge könnte eine Verlangsamung des Golfstroms den Anstieg des Meeresspiegels an US Küstenstädten wie New York und Boston verschärfen. Wer also nicht nach Atlantis tauchen will, sollte sich noch in den nächsten 30 Jahren ein Visum für die USA beantragen
Aus weiteren Studien geht zudem hervor, dass sich Luftströmungen, die vom Atlantik nach Europa kommen, kritisch verändern könnten. Beispielsweise wurde bereits die Hitzewelle im Sommer 2015 mit der Rekordkälte im Nordatlantik in Verbindung gebracht. Die ungewöhnliche Kälte im Norden begünstigt den Luftdruckabfall, das warme Luft aus dem Süden nach Europa geleitet hat, so die Erklärung.


Zweite Studie bestätigt die Ergebnisse
Eine weitere Studie, aus der "Nature", attestiert dem Nordatalntikstrom ebenfalls eine Abschwächung und ordnet sie in längerfristige Entwicklungen ein. Analyseergebnissen von Ablagerungen auf dem Meeresboden zeigen Veränderungen in der atlantischen Umwälzströmung, welche die letzten 1600 Jahren abbilden. Das Fazit der Forscher: In dem Untersuchungszeitraum war dieses Strömungssystem niemals so schwach gewesen wie heute.

Aus der Thornalley-Studie geht außerdem hervor, dass ein Teil der atlantischen Strömung vor 150 Jahren durch Erwärmung und Eisschmelze am Ende der „Kleinen Eiszeit“ auffällig abgeschwächt wurde. Dieser Effekt zeigt die Empfindlichkeit der Strömungen gegenüber Erwärmung und Süßwassereintrag. Laut Wissenschaftlern, war dieses Ereignis vor 150 Jahren allerdings nicht mit der aktuellen vom Menschen verursachten Erwärmung und damit beschleunigten Grönland-Schmelze vergleichbar.