Spickmich.de - Pranger oder Hilfe?

access denied · 20. Juli 2009

jungle-world.com - Archiv - 29/2009 - Inland - Portale zur Bewertung von Lehrkräften

Eine Lektion in Willkür

Auch wenn es Lehrern und Dozenten nicht gefällt: Sie dürfen weiterhin von Schülern und Studenten in Internetportalen bewertet werden. Ein besserer Unterricht ist dadurch nicht zu erwarten.

von Magnus Klaue

Sie heißen »Mein Prof« oder »Spick mich«. Die Diskussion um diese vermeintlichen »Internet-Pranger«, die Schülern und Studenten eine anonyme Benotung ihrer Lehrer ermöglichen, wird schon seit Anfang vergangenen Jahres geführt. Für Aufsehen sorgte damals die Klage einer nordrhein-westfälischen Lehrerin, die wegen ihrer negativen Bewertung auf »Spick mich« – sie hatte gerade mal ein knappes »ausreichend« bekommen – ihre Persönlichkeitsrechte beeinträchtigt sah.

Nachdem bereits das Landesgericht und das Oberlandesgericht Köln die Klage abgewiesen und dem Recht der Schüler auf freie Meinungsäußerung ein größeres Gewicht als den Persönlichkeitsrechten der Lehrer beigemessen hatten, ist diese Einschätzung nun Ende Juni in einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) größtenteils bestätigt worden. Die Richter haben zweierlei unmissverständlich festgehalten: Zum einen dürfen Portale die Bewertung von Lehrkräften an Schulen und Universitäten prinzipiell ohne vorherige Einwilligung der Betroffenen verbreiten, sofern Gegenstand und Form der Bewertung dies berechtigt erscheinen lassen. Wichtigste Kriterien hierfür sind die Berufsbezogenheit der Bewertung und eine angemessene Zugangsbeschränkung zu den jeweiligen Seiten. Von Schülern und Studenten genutzte Evaluationsseiten müssen also der Beurteilung fachlicher Leistungen dienen, und es muss sichergestellt sein, dass sie nur von entsprechenden »Konsumenten« genutzt werden. Zum anderen müssen die Betreiber solcher Seiten das Bundesdatenschutzgesetz berücksichtigen, woraus zum Beispiel folgt, dass den Bewerteten die Möglichkeit gegeben sein muss, ihre Evaluationsprofile einzusehen.

Seiten wie »Spick mich« entsprechen zumindest formal den vom BGH festgelegten Kriterien. So deklariert »Spick mich« sich als kompetente Ratgeberseite für Schüler und Lehrer, die den Eltern »Entscheidungshilfe« bei der Auswahl der richtigen Schule und den Lehrern »Denkanstöße« für die Verbesserung ihres Unterrichts biete. Anmelde- und Login-Regeln sollen einen Missbrauch verhindern, Lehrer dürfen sich über ein »Info-Login« Zugang zu ihren Bewertungen verschaffen. »Mein Prof« stellt neben individuellen Bewertungen auch Universitäten- und Dozenten-Rankings zur Verfügung, damit Studenten sich die am besten geeignete Universität mit den besten »Köpfen« aussuchen können. Außerdem geben alle seriösen Seiten die Anzahl der vorgenommenen Bewertungen an, die einen wichtigen Hinweis darauf liefern soll, wie repräsentativ die jeweilige Note ist. Je höher die Zahl der Wertungen, so wird in Anlehnung an Restaurant- und Café-Rankings im Internet argumentiert, desto verbindlicher sei das damit einhergehende Urteil.

Angesichts solch offensiv propagierter »Transparenz« und »Kundenorientierung« sind die Vertreter der Lehrerlobby, die seit dem Urteil des BGH immer stärker vor »virtuellen Prangern« warnen, selbstverständlich im Nachteil. Zu sehr liegt der Einwand auf der Hand, hier wolle sich eine Berufsgruppe, die sich rigide gegen Kontrollen wehrt und bislang meist unbehelligt von Marktkriterien schalten und walten konnte, ihre bedrohten Privilegien sichern. Die Überheblichkeit, mit der nicht nur einzelne Lehrer, sondern auch Vertreter des Philologenverbands den Schülern von vornherein das Recht absprechen, ihre Erzieher zu bewerten, scheint diese Einschätzung zu bestätigen.

Ein genauerer Blick auf die Form solcher »Rankings« und »Evaluationen« vermittelt jedoch ein anderes Bild. So ist es schon für sich genommen problematisch, wenn Lehrer oder Dozenten derselben »Daumen-hoch, Daumen-runter«-Logik unterworfen werden wie Diskotheken oder Restaurants. Vollends fragwürdig wird die marktliberale Illusion, mit der einschlägige Anbieter locken, durch die Bewertungskriterien: Zu diesen zählen bei »Spick mich« neben diskutablen Kategorien wie Kommunikativität und Unterrichtsvorbereitung etwa auch die Bekleidung des Lehrers oder die von ihm im Klassenzimmer erzeugte »Stimmung«.

So sehr das Portal vielleicht tatsächlich bemüht ist, »Spaß- und Rachenoten« zu tilgen, so sehr zielen solche Kriterien selbst bereits nicht auf ein verallgemeinerbares Vernunfturteil, sondern aufs Ressentiment. Eine frühnachmittägliche Fahrt mit der U-Bahn kann jeden davon überzeugen, dass Schüler keineswegs von Natur aus toleranter sind als ihre Vormünder. Vielmehr ist das Mobben und Verprügeln von Mitschülern, die zu »*******n« und »Juden« erklärt worden sind, ebenso Teil des alltäglichen, pubertären Freizeitsports wie das reflexionslose Ablästern über »die Lehrer«, von denen der zu keiner Erfahrung fähige Frustschüler sich ebenso betrogen fühlt wie von der ganzen Welt.

Wer in Bewertungskatalogen mit derlei Kriterien gewinnt oder verliert, hängt also gar nicht so sehr von einer erst zu ermittelnden Leistung ab, sondern ist vom Katalog überwiegend vorgegeben: Gewünscht werden die so eloquenten wie paternalistischen Teammanager, die scheue Einzelgänger »aufmuntern«, bis ihr geistiges Potential erstickt ist, während sie den aggressiven Machos jovial-ermahnend auf die Schulter klopfen. Unerwünscht sind die Spröden und Strengen, die mit ihren Anzügen, Pullovern und veralteten Brillenmodellen dem empfindungsarmen Pennäler schon immer »irgendwie komisch« erschienen und die er nun endlich ganz offiziell niedermachen kann, was den Betroffenen als »Denkanstoß« für die »Optimierung« des Unterrichts verkauft wird. Erwünscht sind »Macher« aller Art, unerwünscht sind Lehrer mit Eigenheiten.

Nicht die bloße Möglichkeit zur Bewertung ist also das Problem, sondern der gesellschaftliche Zwangszusammenhang, in dem diese vorgenommen wird und der alles Gute beinahe von selbst in Repression verwandelt: Die »basisdemokratische« Evaluation dient, anders als ihre Propagandisten behaupten, im konkreten Fall meist eher der Exkommunikation unliebsamer Einzelgänger als der Ermittlung der »Besten«. So unsympathisch man Lehrer finden mag, die auf eine negative Beurteilung im Netz statt mit Gesprächsangeboten an ihre Schüler mit Gerichtskampagnen reagieren, so kritikwürdig ist die Ideologie der Evaluationsexperten. Die »Gegenöffentlichkeit«, die sie sich zu ihrer Legitimation zusammenphantasieren, reproduziert unter den herrschenden Bedingungen blindlings die sozialen Ausgrenzungsmechanismen, gegen die sie angeblich in Stellung gebracht werden soll. Eine »Entscheidungshilfe« oder gar einen Beitrag zur Demokratisierung des Schul- und Bildungswesens liefern die Portale nicht, wohl aber ermöglichen sie noch mehr Willkür im Alltag.

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Ich sehe das Ganze kritisch. Die Tendenz, andere an den Pranger zu stellen, weitet sich immer mehr aus. Siehe z.B. die Amokläufer, die wurden alle mit vollem Namen genannt, weil ihr Verhalten gesellschaftsabweichend war und sie somit Freiwild wurden. Alle andersdenkenden, anders gekleideten, anders redenden, plus Dicke, Arbeitslose, Behinderte usw. sind täglich der faschistoiden Schikane der Mehrheitsgesellschaft ausgeliefert, die gnadenlos selektiert und ausgrenzt. Der Druck zur gesellschaftlichen Konformität ist politisch gewünscht und wird forciert durch Antiraucherkampagnen, Antifettleibigkeitskampagnen, Antirentnerkampagnen, Patientenverfügungen usw. Es soll gestorben werden, was als übermäßiger Kostenfaktor angesehen wird.
Spcikmich ist letztendlich nur die wirtschaftliche Exploitation des ordinären Strafbedürfnisses der Bürger, welche die ihnen durch die warenförmigkeit der Gesellschaft und ihre Verfasstheit in Kapitalbeziehungen die Menschheit in den ständigen Kampf um das Überleben, also den Kampf gegen das Menschsein an sich, auferlegten Zumutungen an denen abreagieren, die ihnen als Abweichler, als lebendig dünken. Schülern wird dieses Verhalten nun auch online antrainiert. Die nächste "Kinderschänder-den-Schwanz-ab"- Generation steht schon in den Startlöchern, das Unheil fortzusetzen.

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Dr. Manhattan · 21. Juli 2009

AW: Spickmich.de - Pranger oder Hilfe?

Wenn ein(e) Lehrer(in) in der Schule fast tun und lassen kann was er/sie möchte,
vorallem bezüglich Bewertungen (z. B. die subjektiven Epochalnoten), dann sollte das gleiche Recht den Schülern eingeräumt werden.

Schließlich sind wir doch alle gleich oder?

Und ich bin mir sicher, dass, wenn die Lehrkraft eine saubere Weste hat, sie nichts befürchten muss.

Finq · 21. Juli 2009

AW: Spickmich.de - Pranger oder Hilfe?

Ich sehe das auch kritisch, für einige ist es nämlich vielleicht "cool", negative Kommentare über Lehrer abzulassen. Und wenn Schüler wollen, dann können sie sich dabei auch gescheit ausdrücken.

Außerdem haben da ja auch Schüler jünger als, ich sag mal 16, die Möglichkeit, Kritiken abzulassen. Da fehlt einem mMn aber noch größtenteils die Fähigkeit, die Qualität und Effektivität des Unterrichts wirklich einschätzen zu können.
Wir hatten z.B. einen Biologielehrer, den niemand wirklich mochte (aufgrund seiner Art, den Unterricht zu gestalten) aber im Nachhinein muss ich sagen, dass wir bei kaum einem Lehrer die Möglichkeit hatten, so viele Dinge zu lernen. Nur die meisten haben das halt nicht genutzt.

Da hätte bestimmt fast jeder gesagt, der macht schlechten Unterricht, weil er einem nicht gefällt.
Aber tatsächlich war der Unterricht gut und die Schüler zu dumm.

Und sowas kann einem Lehrer evtl. die Stelle bei einer neuen Schule versauen.

Und wenn sich einmal so eine "Der-Lehrer-ist-doof"-Einstellung in der Klasse verbreitet hat, dann wird kaum jemand sagen: Hey, der Lehrer ist doch gut!

Sowas ähnliches hatten wir mit unserm Religionslehrer. Den hatten wir letztes Jahr zum ersten Mal und am Anfang hat er ziemlich ne Jesus- abgezogen, er war früher auch mal Pater, etc. und jeder fand den Unterricht einfach total .
Aber dann haben wir das Thema ein bischen in Richtung Ethik umgeschwenkt, bzw. eher komplett und nur hin und wieder bezüge zur Bibel gehabt und mittlerweile denkt fast jeder in der klasse, dass er einer der besten Lehrer ist, die wir jemals hatten.

Nur in den ersten 3 oder 4 Stunden hätte der 1/5 Sternen kassiert.

DasTier · 21. Juli 2009

AW: Spickmich.de - Pranger oder Hilfe?

Es kommt immer darauf an, wie die Lehrer damit umgehen.
Mein Mathelehrer meinte kurz vor den Ferien, dass sein Ranking auf spickmich ein wenig gesunken sei, vor allen Dingen in Sachen "fairer Benotung". Dann hat er eine Unterrichtsevulation durchgeführt und geschaut, was uns am Unterricht gefällt und was nicht.

Andere Lehrer, die aber auch im Unterricht keine kritischen Äußerungen zulassen, weil sie wissen, dass sie schlechten Unterricht machen (3/4 des Kurses hat einen Unterkurs, yippieeeh ), werden schon aus Frust auf spickmich zerfetzt. So schanzen sich beide Gruppen ein, die Unterrichts Qualität wird noch mieser. Ein Teufelskreis also. :thumbsdown:

Dass das Internet als Plattform zwischen Schüler/lehrer Konflikten benutzt wird, ist eigentlich schon traurig, aber noch trauriger ist es, dass noch weniger Lehrer versuchen, diesem Konflikt aus dem Weg zu gehen, indem sie fairen und guten Unterricht machen.

Somit würde ich nicht direkt sagen können, ob das Pranger oder Hilfe ist, das kommt immer auf den Typ Lehrer an.

Killswitch101 · 21. Juli 2009

AW: Spickmich.de - Pranger oder Hilfe?

Seit wann wird Kritik mit einem Pranger verglichen?
So könnte man ebenfalls die Kritik bei Ende eines Referates verbieten.
MFG Killswitch101

DasTier · 21. Juli 2009

AW: Spickmich.de - Pranger oder Hilfe?

Ja, so ist es. Der Lehrer ist in seiner Position praktisch unantastbar, jegliche Kritik bringt eher Minuspunkte beim Lehrer, als dass es einem selbst nützt.
Jedes Referat wird nach dem Halten kritisch betrachtet und teilweise von den Lehrkräften ziemlich nieder gemacht. Aber gab es je einmal eine Stunde, wo am Ende ein Schüler gesagt hat: "Dieser Unterricht heute war ziemlich schlecht weil: ..." (also zum Lehrer).
Die Anonymität des Internets macht es für Schüler leichter einem Lehrer mal die Meinung zu sagen. Was mir auf spickmich fehlt ist eine Kommentarfunktion, dass man genau beschreiben kann, was das Problem bei diesem Lehrer ist, also praktisch eine Online-Kummerbox. Das wäre sicherlich noch hilfreicher. Es muss dann ja nichtmal öffentlich einsehbar sein, gut wäre es, wenn die Lehrer sich praktisch anonym mit den Schülern unterhalten könnten.

honix4amiga · 22. Juli 2009

AW: Spickmich.de - Pranger oder Hilfe?

Ich finde es absolut okay, wenn Schüler auch mal ihre Meinung los lassen wollen. Wie Schüler werden ungezählte Mal pro Woche bewertet, wieso also nich mal anders herum?

Wir haben echt Lehrer, die haben in einem Klassenraum mit 30 unmotivierten, pubertierenden, vorlauten und jungen Menschen nichts verloren. Social Skills sind als Lehrer unabdingbar.
Diesen Lehrern würd ich nur zu gern mal sagen, wie schlecht ihr Unterricht ist.

maxi122 · 22. Juli 2009

AW: Spickmich.de - Pranger oder Hilfe?

die guten profs von uns haben gute bewertungen die schlechten profs haben schlechte bewertungen.
ich find da passt alles.
wenn es nicht anonym wäre würde man von den profs dermaßen auf die mütze bekommen, dass man keine chance hätte das studium abzuschließen.
vergessen wir nicht, professoren sind unfehlbar!

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